Das Mozart-Mysterium
Sie tanzte einst
Für einen Großen
Der legte ihr
Ein Haupt zu Füßen.
Darauf ein Herrscher
Unsrer Zeit
Schenkte ihr
Sein eigen’.
Doch denen,
Die im Circus sind,
Liegen nun
Die Schätze
Zu den Füßen‹ .«
Der Maestro dachte laut nach: »Wir müssen nach irgendeiner Art von Zirkusfigur suchen.«
Ich konnte mir schwerlich einen Zusammenhang zwischen antiken Skulpturen und einem Zirkus vorstellen. Wenn überhaupt, dann schien das geflügelte Pferd vor dem Eingang als Tierdarstellung einen Bezug zu haben, obwohl es niemals im Zirkus zu sehen sein würde.
Wir sahen uns also weiter um und untersuchten jede einzelne Skulptur, um eine Querverbindung erschließen zu können. Wir kamen an einem anderen, durch eine niedrige Mauer abgegrenzten Teilbereich des Gartens vorbei, in dem unzählige Puttenfiguren standen.
Ich schritt weiter, während Mozart hineinging und die Figuren untersuchte. Als ich einige Dutzend Fuß gelaufen war, erschallte ein lauter Ruf des Maestros und ich eilte zu ihm.
In dem kleinen Seitengarten stand er, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Ich kam näher und blieb wie angewurzelt stehen, als ich erkannte, was Mozart zu dem Ausruf veranlasst hatte: Die Skulpturen der kleinen Personen stellten keine Putten dar, sondern groteske, kleine Monster, zwergenähnliche Figuren mit übergroßen Köpfen und entstellten Gesichtern, in den grausigsten Posen.
Auch ich stieß einen Laut der Überraschung aus, war aber zugleich begeistert, denn solche Gestalten konnten einem viel eher in einem Zirkus begegnen. Ich legte dem erschütterten Maestro beruhigend die Hand auf die Schulter und ermutigte ihn, weiterzusuchen. Wir teilten uns auf und gingen in verschiedenen Richtungen an den Zwergen entlang. Einer fiel mir besonders auf, denn er saß auf einem eckigen Podest, wie auf einer Truhe. Natürlich sah ich darin sogleich ein mögliches Versteck, konnte aber keinen Mechanismus finden, der den Kasten öffnete. Ich fühlte mich hilflos und rief nach dem Maestro, um seinen Rat einzuholen. Vergeblich. Ich drehte mich in alle Richtungen, aber Mozart war verschwunden.
Halb gehend, halb rennend hastete ich zurück in die Richtung, in die er geschritten sein musste. Im feuchten Boden konnte ich tiefe Fußspuren ausmachen, die zu einer besonders dicken Figur auf einem Sockel führten.
Ich befürchtete das Schlimmste: Entweder er lag irgendwo auf dem Boden und war von fremder Hand niedergestreckt worden oder eine versteckte Falltür hatte unter ihm nachgegeben, ehe er mich darauf aufmerksam machen konnte.
Die groteske Figur stellte einen Zwerg in einer Handwerkerschürze dar, der ein Werkzeug, ein Winkelmaß in der Form eines rechtwinkligen Dreiecks, in den Händen hielt. Plötzlich rührte sich hinter der Skulptur etwas und ich schreckte zurück.
Doch es war nur der Maestro, der auf dem Boden kauerte, und an der Rückseite des Sockels herumfingerte. »Kommen Sie her, David, ich brauche Ihre Hilfe!«
Ich ging ihm zur Hand und half ihm, an einem Stein zu ziehen, der in der Mitte des Sockels herausragte und beweglich schien. Wir packten den rechteckigen Klotz gemeinsam und stemmten uns gegen den Sockel. Mit einem quietschenden Geräusch gab der Stein urplötzlich nach, wir konnten uns nicht halten und landeten rücklings in einem Blumenbeet, umgeben von rosafarbenen und weißen Cosmeen.
Wie bei einem Wettspiel unter Kindern jauchzte der Maestro freudig und kroch zur Skulptur zurück, ganz vergessend, dass seine Kleidung dabei schmutzig wurde. An der Stelle, wo der Stein eingefügt gewesen war, tat sich eine dunkle Öffnung auf. Es war nichts darin zu sehen, das Loch musste tief hineinragen.
Mozart streckte seine Hand voll Entdeckerfreude hinein, immer weiter, bis der ganze Arm darin verschwunden war. Ich hielt den Atem an, denn meine Erfahrungen der letzten Tage hießen mich, achtsam sein auf verborgene Gefahren.
Dem Maestro entfuhr plötzlich ein Schrei. Rasch zog er den Arm wieder heraus. Er streckte mir triumphierend seine Hand entgegen: In ihr hielt er ein kleines, in Leder gebundenes Büchlein.
Ich kam sogleich näher und wir blätterten gemeinsam im gefundenen Objekt, das unzweifelhaft eine versteckte Mitgliedsgabe der Societät war, mitsamt der als viertes Rätsel verschlüsselten Beschreibung zum nächsten Versteck und dem nächsten Gesetz der idealen Melodie.
Mozart las das Titelblatt des gedruckten Werkes vor: »›Georg Heinrich Bümler, Von der Musik und den mathematischen
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