Das Mozart-Mysterium
Essenzen derselben. Leipzig, zu haben bei L. C. Mizlern 1740‹.« Er blätterte weiter durch das kleine, dicke Buch und entdeckte eine lose Seite, die von Hand beschrieben war. Die Überschrift lautete: ›Rätsel 4‹. Er steckte es sofort in seine Jacke und blätterte weiter im Buch, um das Gesetz der Melodie zu finden, das ebenfalls irgendwo verborgen sein musste. Ganz hinten, auf dem hinteren Buchdeckel, stand es, in schöner Handschrift, die sich jedoch in ihrer Schlichtheit von der kalligrafischen Schrift Mizlers unterschied:
› Der Rhythmus der idealen Melodie muss durch Worte unterlegbar sein‹.
Wir waren erfolgreich und konnten den Heimweg antreten. Als wir uns vom Verwalter verabschiedet und die Kutsche bestiegen hatten, bat ich Mozart, doch gleich einen Blick auf das Rätsel werfen zu dürfen. Er nahm widerwillig das Blatt heraus, da er Diebe fürchtete, aber reichte es mir schließlich zum Studium, während er die Kutsche lenkte.
Ich fand in unglaublich vielen Ornamenten verborgen, die fast das ganze Blatt füllten und von kalligrafischer Besessenheit des Schreibers zeugten, nur zwei Worte:
›Milleacru mutu‹.
Als wir gegen Abend heimgekehrt waren, unternahm Mozart einen ergebnislosen Versuch, das Rätsel zu entschlüsseln. Vielleicht würden wir am nächsten Tag mehr Glück haben. Ich war skeptisch, ob wir die Frist der Societät einhalten konnten. Auch hatten wir gefährliche Gegner, die uns aufhalten wollten. Ich wusste wohl, dass die kommenden Tage uns das Leben kosten konnten.
Gottes Zahl
23. Oktober
Nach einer schlaflosen Nacht schlang ich mein Frühstück hinunter und suchte rasch Mozart im Arbeitszimmer auf, um ihm beim erneuten Versuch zu helfen, das Rätsel zu lösen.
»Milleacru mutu. Was soll das bedeuten?« Mozart war nach wie vor ratlos.
Ich hatte eine Idee: »Es scheint lateinisch zu sein, allerdings muss etwas daran nicht stimmen, so ist es sinnlos. Kann es sein, dass Mizler hier tatsächlich einen Fehler machte?«
»Vielleicht. Wer weiß? Aber vermutlich sind es dann absichtliche Fehler.«
»Jedenfalls erkenne ich die lateinischen Worte ›mille‹, ›acer‹ – allerdings in falscher Form – und ›mutus‹.«
Mozart versuchte, sich einen Reim darauf zu machen. »Diese Worte können allerlei Bedeutung haben, je nach Kontext. Das könnte dann zum Beispiel heißen: ›tausend‹, ›scharf‹ und ›schweigend‹. Oder aber: ›tausend‹, ›Schärfe‹ und ›lautlos‹.
So lange wir auch überlegten, es ergab keinerlei Sinn. ›Tausend‹, ›scharf‹, ›lautlos‹. Was vereinte diese drei Begriffe? Wenn überhaupt, dann beschrieben sie eine drohende Gefahr. Aber weshalb waren so viele Fehler enthalten? Wir beschlossen, Therese um Rat zu fragen, und Mozart schickte seinen Adlatus Franz mit einer Einladung zu ihr.
Nach nur einer halben Stunde kehrte er zurück und hatte Therese bereits bei sich. Ich begrüßte sie mit einer herzlichen Umarmung. Wie immer war sie bestens gekleidet, heute komplett in Blau, von Kleid über Handschuhe bis hin zum kleinen Hut.
Es wurde mir bewusst, dass ich zunehmend von der Rätseljagd vereinnahmt wurde und weniger Zeit als bisher allein mit meiner Freundin verbrachte. Therese (die trauriger Stimmung war, weil ihre beste Freundin Louise zu einer längeren Reise aufgebrochen war) nahm auf dem kleinen Sofa im Arbeitszimmer Platz. Wir lasen ihr das Rätsel vor. Sie bat daraufhin, das Papier selbst in Augenschein nehmen zu dürfen. Doch auch sie konnte uns nur wenig weiterhelfen: »Das ganz ähnliche Wort ›milliarium‹ heißt ›Meilenstein‹, falls das irgendeine Bedeutung hat.«
Eine dermaßen große Abweichung von der korrekten Grammatik fanden Mozart und ich aber eher unwahrscheinlich. Daher versuchten wir es mit dem Zahlenalphabet, allerdings nun umgekehrt angewandt, um durch die Übertragung der Buchstaben in Zahlen eine Zahlenreihe zu erhalten.
Ich zog meine Tabelle hervor und rechnete: »13, 9, 12, 12, 5, 1, 3, 18, 21 – 13, 21, 20, 21.« Die Zahlenfolge sagte mir nichts.
Mozart hatte eine Idee: »Was wäre, wenn einige Buchstaben nicht Zahlen, sondern Buchstaben-Abkürzungen sind, etwa für Namen? Ich könnte mir vorstellen, dass daraus Hinweise auf Bibelstellen entstünden wie M für Matthäus oder Markus, dann zwei Zahlen für Kapitel 9 und Vers 12. Dann folgt L für Lukas, dann Kapitel 5, Vers 1 und so weiter.«
Ich setzte die Reihe fort: »Dann ginge es so weiter: C 21, 18 / M 21, 20.
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