Das Mozart-Mysterium
geben. »Man hat mir die Aufsicht der Sammlung anvertraut. Nach dem Tode des Erzbischofs Leopold Firmian ist das Anwesen an seinen Neffen gefallen, der aber nur selten Zeit findet, hier zu sein. Der schönste Teil der Sammlung befindet sich an den Wänden. Wenn Sie eine halbe Stunde Zeit haben, werde ich Sie führen und die Gemälde erläutern.
»Oh, wunderbar! Wir sind Ihnen sehr dankbar.«
Er führte uns zum ersten Gemälde rechts neben der Tür. »Kommen Sie heran, liebe Herrschaften.«
Mozart und ich blieben schweigsam, bis auf gelegentliche Laute des Bewunderns und Staunens. Der Herr beschrieb uns in der folgenden Stunde – eine halbe Stunde war reichlich untertrieben gewesen – jedes erdenkliche Detail der Gemälde in diesem großen Festsaal. Es handelte sich überwiegend um Werke des bekannten Malers Andreas Rensi. Da mir ein bildliches Gedächtnis gegeben war, beschloss ich, mir alles genau einzuprägen, unseren Kupferstich jedoch nicht hervorzuholen, damit der Geheimrat und auch der Gastgeber keinen Hinweis erhalten würden, der vielleicht noch darin verborgen lag. Ich hatte mir den Stich zuvor im Detail angesehen und war der Meinung, mich an alles vor meinen inneren Augen genau zu erinnern.
Als der melancholische Aufseher seinen Vortrag geendigt hatte und wir um erhebliche Erkenntnisse reicher waren, blieb uns nichts anderes übrig, als den Ort dankend zu verlassen. Ich war zufrieden, denn ich hatte etwas bemerkt, was den anderen vermutlich entgangen war. Da der Geheimrat und der Aufseher anwesend waren, behielt ich den Gedanken jedoch für mich.
Die Stimmung der anderen auf der Heimreise war ausgesprochen bedrückt. Ich versuchte, ein nichtssagendes Gesicht zu machen, und unternahm keinerlei Versuche, jemandem über meine Entdeckung zu informieren, obwohl ich befürchten musste, dass der Maestro mich später deswegen rügen würde, da wir so kostbare Zeit verloren.
Trotz alledem hatte ich das untrügliche Gefühl, dass es unklug wäre, den Geheimrat einzuweihen. Nachdem wir bei Therese angekommen waren, verabschiedete er sich. Als ich sicher war, dass er das Haus verlassen hatte und nicht mehr zuhören konnte, brach ich mit meiner Entdeckung heraus: »Ich glaube, ich habe die Lösung!«
Therese und Leopold Mozart blickten mich entgeistert an.
»Ich habe mit meiner Enthüllung abgewartet, damit der Geheimrat nichts davon erfährt. Ich hoffe, Maestro, Sie nehmen mir das nicht übel.«
»Nein, David. Nur bedeutet dies, dass wir erneut zum Schloss reisen müssen. Heute ist es dafür zu spät.«
Es war bereits sechs Uhr abends. Nach meiner Meinung war dies jedoch von Vorteil. »Ich denke, die Nacht wird uns nützlich sein, da wir uns dort gewaltsam Zugang verschaffen müssen.«
»David, wo denken Sie hin! Halten Sie mich für einen Einbrecher?«
»Beileibe nicht, Maestro, bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Die logische Reflexion des Problems ergibt nur leider keine andere Lösung: Bei Tage wird der Saal von dem Aufseher und zwei bewaffneten Wachen gehütet – es gibt daher keinerlei Möglichkeit, ihn unbeobachtet näher unter die Lupe zu nehmen. Der Aufseher machte keine Anstalten, uns irgendeinen Hinweis zu geben. Also ist er kein Eingeweihter der Societät, wie es zum Beispiel der Küster des Domes war. Es könnte natürlich sein, dass er Ihnen, Maestro, eine Nachricht übergeben würde, wenn Sie allein dorthin reisten. Aber: Mizler hat Sie eindringlich vor Mitwissern gewarnt – sicherlich hat er daher auch andere, wichtige Helfer der Societät geheißen, alle Informationen einzig an Sie direkt weiterzugeben. Nachdem der Aufseher uns alle bereits kennengelernt hat, wird er, falls er überhaupt davon Kenntnis hat, das Versteck wohl nicht mehr freiwillig preisgeben, um sicherzugehen, dass der Geheimrat nicht indirekt davon profitiert. Nein, wir müssen an dem Aufseher vorbei; und das geht sehr wahrscheinlich nur bei Nacht und im Schutze der Dunkelheit.«
Mozart blickte traurig, nickte aber einsichtig. »Ich verstehe. Dann bleibt uns keine andere Wahl. Aber wie sollen wir das anstellen? Ich jedenfalls bin in solchen Dingen nicht geübt und ich hoffe, Sie auch nicht.«
Therese hatte eine hilfreiche Idee: »Obwohl ich diese Unternehmung überhaupt nicht gutheißen kann, weil ich um Ihr beider Leben fürchte, habe ich einen Vorschlag: Da ich sie so oder so nicht verhindern kann, möchte ich wenigstens den Erfolg sicherstellen. Einer meiner Diener hat einschlägige Erfahrungen im Öffnen
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