Das München-Komplott
gegen die Linke und für schärfere Gesetze. Dann stellte sich heraus, dass es ein Neonazi war, der die verheerende Bombe gelegt hatte.«
»Hallo«, sagte eine Frauenstimme, »darf ich mich zu euch setzen?«
»Natürlich«, sagte Klein und rückte zur Seite.
»Das Drama nimmt seinen natürlichen Verlauf«, murmelte Mario leise.
»Danke«, sagte Betty und setzte sich neben Dengler. »Ich wollte euer Gespräch nicht stören.«
»Kein Problem. Wir haben über Georgs neuen Fall geredet. Er untersucht das Attentat auf das Münchener Oktoberfest von vor fast dreißig Jahren«, sagte Martin Klein und überspielte damit schnell die Enttäuschung, dass Betty sich nicht neben ihn gesetzt hatte.
»Da war ich noch viel zu jung.«
»Das denk ich mir«, sagte Klein eifrig.
Betty lachte Dengler an: »Was für ein interessanter Job das ist.«
Sie flirtet mit mir, dachte er, sie wird doch nicht wirklich glauben, dass ich der Mann bin, den ihr Kleins Horoskop versprochen hat.
Er sah zu Klein hinüber, direkt in dessen missmutiges Gesicht.
Mario schien die Lage begriffen zu haben.
»Wann kommt eigentlich deine Freundin zurück?«, fragte er Dengler laut über den Tisch hinweg.
»Oh, ich hoffe, dass Olga in ein paar Tagen wieder da ist.«
Betty lehnte sich etwas in ihrem Stuhl zurück.
Dengler beugte sich zu Leopold Harder: »Leo, könntest du mir Material aus eurem Archiv zusammenstellen. Martinhat mich auf eine Idee gebracht: Ich möchte wissen, wie die politischen Verhältnisse waren in der Zeit um diesen 26. September 1980.«
Leopold Harder nickte.
»Hier kommt ein frisches Glas für die Lady«, rief Mario und goss Brunello nach.
Betty stand auf und setzte sich neben ihn.
Die große Lage
Seit dem Gespräch mit dem BKA-Präsidenten fiel ihr das morgendliche Aufstehen leichter. Sie war fröhlicher. Sie begrüßte den Fahrer mit Handschlag, statt sich mit einem Stapel Akten mürrisch in den Fond zu werfen. Die Beamten an der Pforte des Ministeriums, die sich beim Eintreffen von Minister und Staatssekretären zu erheben haben, bat sie, dies bei ihr nicht mehr zu tun.
Die Männer, zwei davon kurz vor der Altersgrenze zur Pension, dankten ihr mit einem freundlichen Blick.
Sie hatte etwas in Bewegung gesetzt.
Jeden Montagmorgen traf sich der Minister mit den beiden parlamentarischen und den zwei beamteten Staatssekretären im 4. Stock zur Leitungsrunde. Die Leiterin des Ministerbüros trug die Termine vor, und dann wurde entschieden, wer zu welchem Termin ging.
Die Entscheidung fiel meistens nach demselben Muster: Wie hoch war die öffentliche Wirkung? Hoch? Dann ging der Minister selbst. Weniger hoch? Dann war sie an der Reihe.
Wie wichtig ist der Verband? Wichtig? Auch dann nahm der Minister den Termin wahr, bei weniger wichtigen Verbändenwar es ihr Auftritt. Sie hatte in den letzten drei Jahren Hunderte von weniger wichtigen Verbänden kennengelernt.
Routine. Endlose Routine.
War Sitzungswoche, tagte dienstagmorgens die Arbeitsgruppe Innenpolitik der Unionsfraktionen, anschließend die Koalitionsrunde mit den Kollegen der SPD. Mittwochs tagte der Innenausschuss, bei dem sie den Abgeordneten Rede und Antwort zu stehen hatte. Und einmal in der Woche traf sich die Runde der Parlamentarischen Staatssekretäre aller Ministerien im Kanzleramt.
Dazu kamen all die Akten, Akten, Akten, die sie mit lila Tinte abzeichnen musste. Unmöglich, sich jeden Vorgang zu merken.
Jeden Morgen erhielt sie den Bericht aus dem Lagezentrum zur Inneren Sicherheit. Immer wieder einmal brannte ein Auto in Berlin, vor allem aber listete der Bericht die Schlägereien, die Körperverletzungen, die versuchten Morde der Neonazis auf.
Kühl und sachlich.
An diesem Montagmorgen sagte der Minister, dass sie ihn bei der »Großen Lage« vertreten müsse. Er habe einen Wahlkampfauftritt.
Sie mochte diese Besprechung nicht. Mehrmals war sie da gewesen. Großer Auftritt von Huber, dem beamteten Staatssekretär, der grauen Eminenz des Ministeriums, wie ihn die Presse nannte.
Es geht nicht anders, sagte der Minister, der ihre Abneigung kannte.
Sie braute sich einen grünen Tee zur Stärkung. Danach ging es besser. Sie wird sich doch nicht von einem nicht gewählten Beamten einschüchtern lassen.
So fand sie sich am nächsten Tag um neun Uhr in demfensterlosen, abhörsicheren Raum des Lagezentrums ein, wo die Sitzung immer stattfand.
Sie mochte Huber nicht – den schmallippigen Franken, der im Gegensatz zu den anderen Bewohnern dieses
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