Das München-Komplott
lassen Sie mich anführen, dass in diesem Augenblick, während wir uns hier über die Innere Sicherheit unseres Landes beraten, 150 000 Erzieherinnen streiken.«
Er schaute empört in die Runde.
»Erzieherinnen«, rief er, »Erzieherinnen, von denen man doch bisher angenommen hat, dass ihnen die anvertrauten Kinder wichtiger seien als irgendwelcher Tariffirlefanz.«
Dann rasselte er die neusten Daten herunter: Opel, Porsche …
Charlotte meldete sich.
»Herr Kollege, halten Sie Ihre Sorge nicht für übertrieben? Porsche liegt ja nun in der Nähe meines Wahlkreises. Die Arbeiter fordern eine Kapitalerhöhung durch die Eigentümerfamilien. Braver und harmloser geht es nun wirklich nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Kindermädchen eine Gefahr für die Innere Sicherheit …«
»Es ist genau diese Verharmlosung, entschuldigen Sie dieses Wort, Frau Kollegin, vor der ich seit Jahren warne. Wenn erst einmal Unruhe da ist, kann sich der Inhalt schnelländern. Die französischen Belegschaften sperren ihre Chefs ein und lassen sie nicht eher laufen, bis ihre Bedingungen erfüllt sind. Neuerdings drohen sie mit der Sprengung von Fabriken, wenn Entlassungen nicht rückgängig gemacht werden. Der Funke kann auch nach Deutschland überspringen, und dann haben wir eine revolutionäre Situation. Da war 68 nichts dagegen. 1968 waren es nur ein paar tausend Studenten. Und was haben die nicht alles angestellt. Wenn ein neues 68 aus der Mitte der Gesellschaft droht, muss der Staat gerüstet sein, muss die Polizei gerüstet sein, müssen die Institutionen gerüstet sein. Diesmal wird es kein Spaziergang werden wie damals. Das Thema Einsatz der Bundeswehr im Inneren muss …«
»Entschuldigen Sie, Herr Kollege, wenn ich Sie unterbreche, ich habe Informationen aus dem BKA, dass derzeit alle 26 Minuten eine rechtsradikale Straftat verübt wird. Alle 26 Minuten! Ist dies nicht eine größere Herausforderung für die öffentliche Sicherheit als – Erzieherinnen?«
Schönleber wandte sich Charlotte zu und zog dabei eine Parfümwolke hinter sich her, die ihren unangenehmen Duft fast im ganzen Raum verteilte. Irgendjemand musste husten.
»Wir haben die Meldekriterien geändert, Frau Staatssekretärin«, sagte er. »Jetzt müssen Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund früher gemeldet werden. Wenn so ein Brandenburger Volldepp den Hitlergruß zeigt, schwupp, schon haben wir eine Meldung. So sind diese Zahlen zu erklären.«
»Aber, Herr Ministerialdirigent, nach den Gesetzen der allgemeinen Logik bedeutet das doch nur, dass die Statistik vorher falsch war. Ein Hitlergruß ist eine Straftat. Auch in Brandenburg, wenn ich mich nicht irre. Oder?«
Schönleber schien überrascht und sah sich, nach Unterstützung suchend, rechts und links um. Seine beiden Nebensitzer zuckten zurück.
Huber half ihm: »Frau Kollegin, wir verstehen alle, dass Siepersönlich auf diesem Gebiet sensibel reagieren. Wir kennen den Hintergrund, äh, den familiären Hintergrund, und lassen Sie sich versichern, dass niemand hier im Haus …«
»Alle 26 Minuten, Herr Kollege, eine Straftat, und wir unterhalten uns über die Gefahr, die von Kindergärtnerinnen für die Innere Sicherheit ausgeht.«
Schweigen.
Die Stimmung war verdorben.
Dr. Huber trug noch einige Zahlen vor, dann löste sich die Große Lage erstaunlich rasch auf.
Partnertausch
Der kahlköpfige Kellner brachte eine neue Flasche Brunello. Betty tuschelte mit Mario, Leo unterhielt sich mit Martin Klein, der immer wieder einmal schlecht gelaunt zu Mario und Betty hinüberschaute.
Dengler dachte an Olga.
Wie schön es wäre, wenn sie jetzt hier mit ihnen am Tisch sitzen würde. Aber sie war überstürzt nach Rumänien abgereist, weil ihre Mutter einen Schlaganfall erlitten hatte, und es war offen, wann sie zurückkommen würde.
Kurz vor ihrer Abreise hatte es eine kleine Irritation zwischen ihnen gegeben, und Dengler wusste immer noch nicht genau, wie er diese einschätzen sollte. Im Grunde hatte er ihr ein Freude machen wollen, ein Abschiedsgeschenk hatte es werden sollen für ihre bevorstehende Reise.
»Zieh dich hübsch an«, hatte er zu ihr gesagt, »heute Abend gehen wir zum Partnertausch.«
Sie sah ihn erstaunt an.
»Partnertausch?«
»Ja, ich finde, wir müssen auch mal was Neues erleben.«
»Du machst einen Witz, oder?«
»Nein, mach dich schick. Wir gehen um halb acht.«
»Sexy, meinst du?«
»Gern sexy.«
Sie sah ihn an, als könne sie ihm nicht
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