Das München-Komplott
senkten. Er konnte ihre Enttäuschung buchstäblich fühlen.
»Nun, ich … du weißt doch, dass …«
»Hans, ich weiß, dass du die Tage zählst. Aber diese Operation wird nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. Drei, vier Monate. Nur Überwachung. Informationsbeschaffung. Nichts Operatives.«
»Das sagt sich am Anfang immer leicht.«
Alle lachten. Außer Gisela Kleine.
»Gut, Hans, ich verspreche: dein letzter Job im Amt.«
Leitner sagte nichts.
»Gut. Dann ist es also beschlossen und verkündet. Die Task Force heißt Berlin 1. Hans übernimmt die Leitung. Sie sind ein Team. Frau Kleine, Sie übernehmen die Überwachung der Schmoltke. Das Dossier bekommen Sie elektronisch. Klink, Sie gucken, was das BKA plant. Und Edgar Fiedler ist für die elektronische Überwachung zuständig. Hans, bei jeder Änderung bitte sofortige Benachrichtigung. Kleiner Dienstweg. Die Operation hat den Status 1b.«
Ein neues Horoskop
Ein alter Esel, dachte Martin Klein. Ich bin ein alter Esel und sollte nicht mehr aufs Eis gehen.
Er stand von seinem Schreibtisch auf und sah hinunter auf die Wagnerstraße, wo der Trödler gerade ein paar Tische mit alten Lampen aufstellte. Seit er Betty das erste Mal gesehen hatte, dachte er nur an sie. Fünfmal hatte sie ihn angeschaut. Zweimal bei der Begrüßung. Einmal, als er ihr nachschenkte, zweimal als er einen von Marios Monologen unterbrach. Jedes Mal hatte ihr Blick ihn in seinem Innersten getroffen. Jedes Mal fühlte er sich von ihr ertappt, so als könne sie auf dem Grund seiner Seele lesen, dass er sich in sie verliebt hatte.
Klein setzte sich wieder. Seit zwei Stunden war sein Horoskop überfällig. Noch nie hatte er zu spät geliefert. Im Grunde war das Horoskop fertig. Für alle Tierkreiszeichen waren ihm befriedigende Texte gelungen, außer für eines: die Waage.
Bettys Sternzeichen.
Er wäre gerne zu Dengler rübergegangen und hätte ein paar Worte mit seinem Freund gewechselt. Aber Dengler war in München. Klein musste jetzt etwas über die Waage schreiben. Aber was?
Ich wollte mich nicht verlieben, dachte er. Es ist kein angenehmes Gefühl. Er fühlte sich wie frei in der Luft hängend. Voll Unsicherheit und Ungewissheit. Er schwitzte. Er war ruhelos und deprimiert. Er konnte an nichts anderes denken.
Im Grunde hatte er doch mit der Liebe abgeschlossen. Er hatte die große Liebe seines Lebens gelebt. Als diese zu Ende gegangen war, hatte er für sich dieses Kapitel beendet. Er hatte sich nie vorstellen können, dass er jemals wieder Sehnsucht verspüren würde.
Er ging zum Bücherregal und zog Platons Symposionheraus. Klein blätterte in dem Buch, bis er die Geschichte fand: Wie Eros in die Welt kam. Am Anfang war der Mensch wie eine Kugel, rund, vierbeinig und doppelgesichtig. Er war komplett. Deshalb wurden diese vollständigen Menschen gegenüber den Göttern übermütig und dachten, sie seien selbst wie Götter. Da wurde Zeus wütend und schnitt die Kugelmenschen kurzerhand in zwei Teile. Seither suchen die Menschen ihre andere Hälfte. Sehnsucht quält sie, bis sie sich gefunden haben und wieder vollständig sind.
Vielleicht war ich zu lang allein, dachte Klein, zu lang unvollständig, und er schob das Buch mit einem tiefen Seufzer zurück. Er wanderte mit den Augen die Buchrücken entlang und wählte einen Band von Heine. Er schlug auf:
Was Prügel sind, das weiß man schon; was aber die Liebe ist, das hat noch keiner herausgebracht.
Typisch, dass ihm ausgerechnet diese Zeilen gleich ins Auge sprangen.
Dann sollte ich vielleicht besser gar nicht erst versuchen, das alles zu verstehen.
Die Bilder von dem Abend im Basta gingen ihm im Kopf rum: Sie hatte erst mit Dengler gesprochen, dann den ganzen Abend mit Mario.
Warum immer nur Mario? Der ist doch gar nicht an ihr interessiert. Mario mit seiner großen Klappe.
Aber vielleicht war sie ja ins Basta gekommen wegen des letzten Horoskops. Bei diesem Gedanken besserte sich seine Stimmung. Das immerhin könnte geklappt haben. Hier würde sie den Mann ihres Lebens kennenlernen, hatte er geschrieben. Und sie hatte geglaubt, das sei Mario. Klein lächelte grimmig.
Vielleicht sollte ich sie einfach vergessen. Einen Schlussstrich ziehen. Im selben Augenblick, in dem er dies dachte, wusste er, dass er dazu nicht in der Lage war.
So schnell würde er nicht aufgeben.
Er würde kämpfen.
Entschlossen klappte er den Laptop auf.
Er überlegte kurz und schrieb dann: Waage: Sie waren Ihrer großen Liebe sehr nahe. Aber es
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