Das München-Komplott
ab und setzte sich.
»Frau Gisela Hermann, Herr Alexander Merkle«, so stellte Klampf die Anwesenden vor.
»Will das BKA die Wiederaufnahme des Verfahrens behindern?«, stieß Alexander Merkle hervor. »Oder warum sind Sie hier?«
Der Mann war misstrauisch. Kein Zweifel.
»Nein. Ich bin beauftragt, den Fall … das Attentat noch einmal neu … zu prüfen, ich meine zu untersuchen.«
»Wir haben jedes Vertrauen in den Staat verloren.«
»Das ist ein großer Fehler, Herr Merkle. Denn wer sonst soll für Gerechtigkeit sorgen?«
Merkle zog die Luft ein, als wolle er etwas antworten, schwieg dann aber.
»Er tut es aber nicht, Herr Dengler. Seit nun fast dreißig Jahren. Er tut es nicht. An was sollen wir noch glauben?«
»Ich versichere Ihnen …«, Dengler sah in das zerstörte Gesicht der Frau und dachte an das zerstörte Leben, das ein solches Gesicht hervorbringen musste.
»Ich kann Ihnen nur versprechen, dass ich mich anstrengen …, dass ich mich bemühen werde«, sagte er leise.
Die Frau nickte.
Alexander Merkle erhob sich schnell.
»Ich glaube Ihnen kein Wort«, sagte er kalt und verließ das Zimmer, schlug die Tür hinter sich zu.
»Die Nerven liegen bei uns allen immer noch blank«, sagte Klampf. »Aber morgen werde ich unseren Antrag einreichen. Wir sind zuversichtlich. Merkle nicht. Er hat den Kampf aufgegeben. Steckt immer noch voller Wut, aber es ist eine Kälte hinzugekommen, die … vielleicht nicht so gut ist. Aber wer will ihm einen Vorwurf machen?«
Dengler stand auf und gab dem Anwalt die Hand. Er mochte diesen Mann.
Die Vertreibung aus der Küche
Am frühen Abend war Dengler zurück in Stuttgart. Es regnete, als er ankam. Vor dem Crêpes-Stand am Hauptbahnhof stand wie immer eine lange Schlange. Es waren die besten in der Stadt. Dengler fuhr mit der U-Bahn bis zum Charlottenplatz und ließ sich mit einem Pulk junger Menschen aus den Katakomben des öffentlichen Nahverkehrs treiben. Sein Handy meldete ihm, dass eine neue Nachricht eingegangen war.
»Hallo, Georg, hier spricht Olga. Ich muss noch bleiben. Hier geht alles drunter und drüber. Und leider ist dieser Winkel Rumäniens ein einziges Funkloch. Ich küsse dich.«
Er ging an einem der modernen Friseurläden vorbei und betrachtete die Frauen, die dort nebeneinander aufgereiht saßen, einige mit geheimnisvollen Aluminiumstreifen im Haar, andere betrachteten ihr Haar im Spiegel, eine wendete unaufhörlich den Kopf dabei, sodass die Haare flogen, und wiederum andere ließen sich gerade ihre Haare von jungen Männern waschen und hielten dabei die Augen geschlossen.
Immer noch war es hell in der Stadt. Es regnete leicht. Dengler war zu Hause.
Leopold Harder erwartete ihn unten im Lokal.
»Ich habe mir die alten Presseberichte angesehen«, sagte er und schwenkte eine Aktenmappe in der Luft. »Das ist sehr interessant.«
»Lass uns nach oben gehen.«
Kurze Zeit später saßen sie in seiner Küche. Dengler öffnete die obere Schranktür, hinter der er immer einen Vorrat an Rotwein aufbewahrte. Er wählte einen italienischen Barolo,den ihm Olga geschenkt hatte, und öffnete ihn. Er nahm zwei Gläser, füllte sie und stellte sie sorgsam auf den Tisch.
»Er braucht noch etwas Luft.«
»Kann er haben«, sagte Harder und rieb sich die Beine.
»Du hast ja völlig nasse Hosen.«
»Seit drei Tagen regnet es ununterbrochen.«
»Zieh lieber die Schuhe aus.«
»Besser nicht. Hab keine Socken an. Sollte doch Sommer werden, oder?«
»Zieh sie aus. Ich hole dir ein paar Socken von mir.«
Dengler stand auf und ging ins Schlafzimmer. Er kramte in der Kommode und fand schließlich die dicken Socken aus schwarzer Wolle, die seine Mutter ihm vor langer Zeit gestrickt hatte.
Leopold zog die Schuhe aus und die Socken an. Er streckte die Füße aus.
»Was macht eigentlich der VfB?«, fragte er in der Art, die nicht unbedingt eine Antwort verlangte.
»Wird nicht leicht werden ohne Gomez.«
»Mal sehen, wie sich Freiburg schlagen wird, wenn die wieder erstklassig spielen.«
»Ich hoffe, die schaffen das und bleiben ein paar Jahre dabei.«
»Immer noch dein Club, he?«
»Lass uns trinken. Jetzt hat er genug Luft.«
Sie tranken.
»Es geht doch nichts über einen guten italienischen Rotwein«, sagte Harder und hob das Glas gegen das Licht. »Mir schmeckt er besser als ein Franzose.«
»Mmh.«
»Einen Bordeaux von 1940 kannst du heute noch trinken. Die Italiener sind da ungeduldiger. Sie keltern die Flaschen auf den Punkt. Den Barolo
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