Das München-Komplott
da war dieser Killer noch gar nicht im Geschäft.
Aber vielleicht ein anderer?
»Wir haben alles versucht«, sagte Roland Tischer. »Aber die besten Ärzte waren ratlos. Die Aufregung vielleicht. Es war der größte Verlust meines Lebens. Habe danach herumgehurt ohne Ende. Aber dann besann ich mich auf ihn. Und heute bin ich seriös.«
Er versuchte zu lachen.
Es klang bitter.
»Ich bin sehr erstaunt, dass die Polizei sich dafür noch interessiert«, sagte Horst Bandlinger, nachdem er Dengler an den Esstisch im Wohnzimmer gebeten hatte. »Meine Frau hat diesen Mann gehört. Aber niemand hat sich um ihre Aussagegekümmert. Wir hatten den Eindruck, dass ihre Beobachtungen der Polizei nicht ins Konzept gepasst haben. Sie wurde immer wieder verhört, und immer hat man sie gefragt, ob sie sich vielleicht getäuscht habe. Wie viele Maß sie auf der Wiesn getrunken habe und so weiter. Ob das Geschrei und Gestöhne der Verletzten nicht so laut gewesen sei, dass man einzelne Stimmen gar nicht deutlich verstehen konnte. Aber wenn da einer laut schreit: ›Ich wollt’s nicht! Ich kann nichts dafür! Bringt mich um! Ich kann nichts dafür! – Ich wollt’s nicht!‹ – das hört man doch. Das vergisst man doch nicht, oder?«
»Sicher nicht.«
»Sie hat sich dann dieser Gruppe angeschlossen. Dieser Gruppe um den Rechtsanwalt Klampf, Sie wissen schon.«
»Nein.«
»Eine Gruppe von Opfern und Hinterbliebenen glaubt, dass die Behörden nicht die Wahrheit sagen. Oder zumindest nicht die ganze Wahrheit. Sie bemühen sich um die Wiederaufnahme des Verfahrens.«
»Wo finde ich diesen Anwalt?«
Bandlinger gab ihm die Adresse. Dengler notierte sie.
»Wie ist Ihre Frau gestorben?«
»Das Herz. Niemand wusste es. Aber sie hatte wohl ein schwaches Herz.«
Task Force Berlin 1
Die Klimaanlage im Konferenzsaal 2 des Bundesamtes für Verfassungsschutz pumpte eiskalte Luft in den Raum. Die sechs Männer und eine Frau, die um den Tisch saßen, froren. Doch erst als der Präsident sein Jackett von der Stuhllehnezog und wieder anzog, machten es die anderen ihm nach. Nur die Frau schien der Kälte zu trotzen.
Draußen war es heiß.
Die Runde war zu einer Sondersitzung einberufen worden.
»Diesmal geht es um eine heikle Sache. Es gibt eine Verschwörung gegen unser Amt. Verwickelt sind die Staatssekretärin von Schmoltke und die Spitze des Bundeskriminalamtes. Sie wollen unsere Operationen im rechtsradikalen Bereich unterbinden. Wahrscheinlich unter dem Vorwand, ein neues NPD-Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht einzureichen.«
»Das hatten wir doch schon einmal«, sagte einer der Männer in der Runde.
»Ja, aber diesmal ist das BKA mit von der Partie. Ihr Vorgehen ist dilettantisch wie üblich. Aber ich will alles wissen, was sie planen, was sie herausfinden, welche Aktionen sie einleiten. Alles will ich wissen, und zwar immer sofort.«
Es herrschte Stille am Tisch.
Hans Leitner wischte sich unter der Tischplatte die Hände an den Hosenbeinen ab, wie er es immer tat, wenn er nervös war. Er senkte den Blick.
Nicht atmen, dachte er. Hoffentlich guckt sich der Chef nicht mich für diese Aufgabe aus.
Irgendjemand aus der Runde würde mit der Leitung dieser Aufgabe betreut werden. Und dieser Job war eine Portion Vitamine für die Karriere. Für einen Jüngeren. Man wird nah am Präsidenten dran sein und auf ihn einwirken können, man wird sich von seiner besten Seite zeigen können, man wird eng zusammenarbeiten, jede Unterstützung bekommen.
Aber Hans Leitner würde in exakt sieben Monaten und 13 Tagen in den Ruhestand verabschiedet werden. Er wollte kein neues Projekt mehr. Vor allem keines, das so gefährlich werden konnte wie dieses.
Natürlich wäre das nicht die erste Politikerüberwachung desAmtes. Trotzdem, wenn es aufflog, würden Köpfe rollen. Die Wahrscheinlichkeit war gering, aber trotzdem: Ein Restrisiko gab es, und Leitner wollte es vermeiden.
Das wäre was für die Kleine, dachte er und überlegte, ob er sie vorschlagen sollte.
Er blinzelte hinüber zur Kollegin Gisela Kleine. Er sah, wie sich ihre Schultern beim Atmen hoben und senkten. Auch sie schaute nicht auf, so wie die anderen Kollegen am Tisch. Er hoffte, dass der Kelch an ihm vorüberginge, aber die Kleine hoffte, dass sie den Job bekam.
Kann man ihr nicht verübeln, dachte Leitner. In ihrem Alter ist man noch ehrgeizig.
»Hans, ich glaube, da musst du wieder einmal ran.«
Leitner sah, wie sich die Schulterblätter von Gisela Kleine
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