Das München-Komplott
fahren. Sie hatten das alles schon genau geplant. Sie freuten sich beide auf die gemeinsame Zeit.
Ihm kam der neue Auftrag nicht gelegen.
Auch das Team war nicht einfach. Gisela Kleine war ehrgeizig. Wenn es jemals eine Frau schaffen sollte, Chefin des Verfassungsschutzes zu werden, dann sie. Er durfte keinen Fehler machen. Die Kleine würde ihn sofort ans Messer liefern.
Er musste wachsam sein.
Gerhard Klink war Ende fünfzig und der Älteste in der Gruppe. Er war 15 Jahre Ermittler beim BKA gewesen, bevor er zum Verfassungsschutz gewechselt war. Er würde die Informationen über das Vorgehen des BKA liefern. Seine alten Kontakte würden sehr hilfreich sein. Klink würde keinen Karrieresprung mehr machen.
Der machte einfach seinen Job.
Trotzdem konnte Leitner sich vorstellen, dass Klink dem Präsidenten jedes Wort berichten würde, das in der Task Force Berlin 1 fallen würde. Wenn sie einen Maulwurf in der Gruppe hatten, dann war es Klink.
Er würde ihn im Auge behalten.
Der Harmloseste war Edgar Fiedler. Einer der besten Computertechniker des Hauses. Angeblich war er früher einmal Gründungsmitglied des Chaos-Computer-Clubs Hamburg gewesen, bevor der Dienst ihn abgeworben hatte. Er durchstieg jede Firewall, als sei sie Luft. Guter Mann. Ganz auf seine merkwürdige Welt aus Bits und Bytes konzentriert. Ein bisschen weltfremd, aber einer der Besten, die das Amt hatte.
Ein tolles Team.
Ein beschissenes Team.
Das zerstörte Gesicht
Die Nacht verbrachte Georg Dengler in einem kleinen Hotel am Rand der Theresienwiese. Das breite Doppelbett stand in einem Erker, und wenn er aus dem Fenster schaute, sah er die Theresienwiese dunkel und geheimnisvoll vor sich liegen.
Es war ein merkwürdiger Auftrag, den er für das BKA angenommen hatte. Auf der einen Seite schien ihm der Sachverhalt immer klarer. Die Ermittlungen waren handwerklich nicht sauber geführt worden. Die Einzeltäterthese war nicht haltbar.
Aber hätte es einen großen Unterschied gemacht, wenn die Bundesanwaltschaft und die Sonderkommission anerkannt hätten, was ihm offensichtlich erschien: Die Bombe auf das Oktoberfest wurde von mehreren Personen gelegt. Vielleicht wurde nur schlampig gearbeitet?
Er hoffte, dass der Rechtsanwalt ihm morgen mehr sagen konnte.
»Wir haben kein großes Vertrauen in die offiziellen Ermittlungen«, sagte Eberhard Klampf. »Wir waren einmal eine Gruppe von zwanzig Angehörigen. Jetzt sind es nur noch vier. Aber alle wollen immer noch wissen, was damals wirklich geschah. Die Ungewissheit ist eine offene Wunde, die nie heilen wird, solange die Frage nicht geklärt ist, was an diesem Abend wirklich geschah.«
Dengler war erstaunt, dass der Anwalt noch so jung wirkte. Er musste Ende fünfzig sein, kurzes, graues Haar, aber seine Augen wirkten interessiert, lebhaft und musterten Dengler freundlich.
»Wir freuen uns, dass das BKA sich der Sache wieder annimmt. Vielleicht hilft es uns bei dem Wiederaufnahmeantrag.«
»Auf was stützen Sie den Antrag? Gibt es neue Erkenntnisse?«
»Es gibt neue Methoden. In den Asservaten liegt noch immer ein Finger. Er wurde jemandem abgerissen, aber wir wissen bis heute nicht, wem. Wir wollen jetzt erreichen, dass die DNA festgestellt und abgeglichen wird. Wir vermuteten, dass dieser Finger einem weiteren Attentäter gehört.«
»Der sich ohne Finger aus dem Staub gemacht hat?«
»Möglicherweise. Irgendjemandem gehört er.«
»Offenbar glauben Sie die offizielle These vom Einzeltäter nicht?«
»Nein. Sie etwa?«
»Nein. Ich auch nicht.«
Klampf lächelte.
»Sie sind der erste Polizist, der dies zugibt. Nach dreißig Jahren. Kommen Sie mit. Ich stelle Ihnen meine Klienten vor.«
Er erhob sich, und Dengler folgte ihm.
Sie gingen über einen Flur und betraten ein Besprechungszimmer.
Eine Frau stand an einem Fenster. Dengler konnte sie nur von hinten sehen. Sie trug schulterlange dunkelblonde Haare.
Ein kräftiger Mann, etwa im Alter Klampfs, saß am Tisch und rührte in einer Tasse Kaffee.
»Das ist Herr Dengler vom Bundeskriminalamt, und er hat eben seine Zweifel an den offiziellen Ermittlungen eingeräumt.«
Die Frau drehte sich um, und Dengler starrte in ein verwüstetes, von unzähligen weißen dünnen Operationsnarben durchzogenes Gesicht.
Nur die Augen selbst waren unzerstört und sahen Dengler mit unerschütterlicher Ruhe an.
»Das haben diese Kerle aus mir gemacht, und ich möchte gern wissen, wer es war und warum es geschah.«
Sie stützte sich mit der Hand
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