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Das München-Komplott

Das München-Komplott

Titel: Das München-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Sonnenstraße einen halben Kilometer südwärts, bevor er dann links in die Schwanthalerstraße einbog. Vier Zeitungsboxen standen auf dem Bürgersteig. Wer wollte, konnte die Abendzeitung , die Süddeutsche oder Welt , Bild oder tz aus einer der blechernen Boxen kaufen, die den Bürgersteig versperrten. Ihm gefiel diese Straße. Der arabische Imbiss Aladin stand neben dem T-Mobile-Shop, ein Secondhand-An- und Verkauf neben dem Money Gram, Bargeldtransfer in alle Welt. Erotic World lockte mit über 6000 Videoprogrammen, während gegenüber dem Deutschen Theater Aldi-Süd verkündete: »Wieder Preise gesenkt«. Lichtreklamen schrieben »Spielcasino« oder »Zimmer frei« in Rot und Blau an die Fassade. Und davor schlenderte eine afrikanische Schönheit mit klickenden Absätzen und einem Kind an der Hand. Ein Spielparadies und eine Pilsbar verkündeten, sie hätten bis um fünf Uhr geöffnet. Daneben hatte eine Fluggesellschaft Räume angemietet, deren Namen Dengler noch nie gehört hatte.
    Obwohl diese Straße, wie Dengler im Internet recherchiert hatte, den Namen des Erbauers der weltberühmten Bavaria-Statue trug, wirkte München hier wie Berlin. Ludwig Michael von Schwanthaler war Hofbildhauer bei Ludwig I. und Professor der Akademie der bildenden Künste in München gewesen.
    Elmar Beckers Adresse führte ihn zu einem großen Wohnblock mit angegrautem, ehemals gelbem Verputz. Nur die ersten beiden Balkone der insgesamt sieben Stockwerke waren mit Blumenschmuck verziert, dies aber so üppig, als wollten sie sich für die anderen schmucklosen Brüstungen entschuldigen.
    Der Hausmeister, ein hochgewachsener Türke mit randloser Brille namens Özlan Basher, wohnte im ersten Stock des angrenzenden Blocks.
    Er starrte auf Denglers Ausweis, ohne auch nur eine Miene zu verziehen.
    »Ich habe nichts verbrochen«, sagte er in einwandfreiem Deutsch mit einem deutlich bayerischen Einschlag.
    »Das will ich hoffen«, sagte Dengler. »Es geht auch nicht um Sie. Es geht um einen Mann, der 1980 hier gewohnt hat.«
    »1980 war ich noch in Rosenheim. Da ging ich noch auf die Hauptschule.«
    »Wer war dann hier Hausmeister?«
    »Alois. Alois war damals hier Hausmeister. Mein Vorgänger. Wohnt aber nicht mehr hier.«
    »Wissen Sie den Nachnamen von Alois? Und wissen Sie, wo er jetzt wohnt?«
    Der Mann schwieg. Dengler hob den BKA-Ausweis noch ein Stück höher, sodass ihn Özlan Basher direkt vor den Augen hatte.
    »Biermichel heißt er. Wohnt in dem Altenheim auf der anderen Seite der Isar. Hat zwei Kinder. Sohn und Tochter. Wissen Sie, warum deutsche Kinder ihre Eltern hassen, wenn sie alt sind? Alle Deutschen stecken die alten Eltern in Altersheime. Nur weg mit ihnen.«
    Dengler dachte an seine Mutter. Er hatte sie schon lange nicht mehr besucht. Viel zu lange.
    »Sie haben sicher die Adresse des Altenheims?«
    »Sicher.« Der Mann nickte. »Ich besuche Alois hin und wieder. Du kommst öfter zu Besuch als meine Kinder, sagt er dann immer.«
    Er griff in die Hosentasche und holte einen Stift heraus. Dengler reichte ihm sein Notizbuch, und Basher schrieb mit schneller Geste: St.-Jakob-Heim, Steinstraße 21.

    Dieser merkwürdige Geruch. Dieser eigenartige Mix von scharf riechendem Desinfektionsmittel, abgestandenem Essen, ungelüfteten Räumen.
    »Den Herrn Biermichel wollen’s sprechen«, sagte die Schwester am Empfang, nachdem Dengler sich ausgewiesen hatte. »Im ersten Stock. Station D. Es bringt Sie jemand hin. Einen Augenblick.«
    Sie telefonierte, und kurze Zeit später erschien ein junger Mann in weißen Jeans und blauen Crocs. Ganz offensichtlich ein Zivi.
    »Sie wollen auf die Station D?«
    Dengler nickt und folgte dem Mann.
    Um einen großen Tisch saßen fünf alte Männer und starrten vor sich hin. Am kleineren Nachbartisch saßen drei Frauen. In dem Eck neben dem Fenster stand ein Fernseher. RTL wiederholte ein Formel-1-Rennen vom letzten Wochenende. Auf dem Bildschirm zogen die buntfarbenen Boliden ihre Runden, aber niemand von den Alten nahm davon Notiz. Ein Geräusch wie von aufgescheuchten Hornissen, dachte Dengler, die in den Fernseher eingesperrt wurden.
    Der Geruch hatte sich geändert. Schweiß mischte sich nun dazu und Urin. Es herrschte eine dampfige, trübe Atmosphäre. Dengler hätte gern ein Fenster geöffnet, aber er sah, dass an ihnen die Griffe entfernt worden waren.
    »Herr Biermichel, wir ha’m Besuch«, rief der junge Mann laut.
    Einer der Alten hob den Kopf. Biermichel musste einmal ein stattlicher

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