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Das München-Komplott

Das München-Komplott

Titel: Das München-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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sind nicht die Lauten, die zu wahrer Liebe fähig sind. Achten Sie auf die Stillen.
    Zufrieden speicherte er den Text ab und schickte ihn an die Redaktion.

Plymouth, 7. Juni 2009
    Die Army vergisst mich nicht.
    Ein verdammt gutes Gefühl ist das, wenn einen die Army nicht vergisst. Er würde ihnen auch die Hölle heißmachen, wenn sie ihn vergessen hätten. Mike Denver hatte sein ganzes Leben in der Army gedient. War hin und her gezogen. Durch die ganze Welt. Jetzt ist es nicht immer leicht, im Hinterland von Plymouth zu sitzen, allein, Tag für Tag mit derselben Frau. Früher konnte er Mary leichter entgehen. Einsatz hier und Einsatz dort. Dringend. Geheim. Und mancher seiner Einsätze war nur ein Besuch im Puff.
    Aber Neuengland kann auch im Sommer die Hölle sein. Es stehen in diesem Jahr mehr Häuser zur Versteigerung, als noch bewohnt sind. Er scheint der Einzige zu sein, der in diesem Paradies von Rhododendron und kurz geschorenem Rasen in der Lage gewesen ist, sein Haus zu bezahlen. Sogar der Schnösel von nebenan, so ein hoher linksliberaler Zeitungskerl vom Boston Globe , der immer nur kurz mit dem Kopf nickte und nie richtig grüßte, hat nun ein Schild von Christies im Rasen stecken.
    Jetzt hatte ihn die Army wieder eingeladen. Besichtigungstour. Zu einem gottverdammten Architekturdenkmal. Irgendwo draußen bei Chicago. Mary hatte sich gefreut.
    »Das Farnsworth House, stell dir das mal vor, Mike, sie haben uns ins Farnsworth House eingeladen.«
    »Nie gehört, Mary. Wer sind diese Farnsworth? Hoffentlich haben sie einen guten Whiskey im Haus.«
    »Aber Mike, das ist ein berühmtes Haus. Mies van der Rohe hat es gebaut …«
    »Mies – was für ein komischer Name. War das ein Nigger?«
    »Ein Deutscher, Darling, es war ein Deutscher. Es muss herrlich dort sein. Ich habe neulich etwas im Fernsehen gesehen. Luxuriös und so modern.«
    Er hörte ihr nicht zu.
    Die Army vergisst einen nicht, das war alles, was ihn interessierte. Aber müssen sie ihren pensionierten Generälen jetzt auch noch Weiterbildung befehlen? Kultur? Langeweile hatte er hier in Neu England schon genug.
    Er machte Mary deutlich, dass er nur ihr zuliebe mitfliegen würde. Das musste sie kapieren. Dann würde sie weniger maulen können, wenn er wieder mal mit George und Harry und zwei Gallonen Whiskey raus zum Fischen fuhr. Zum Fischen, ha.
    Einen Tag und eine Nacht spendierte die Army in Chicago. Wenn es nach ihm ginge, würden sie ganz in die Stadt am großen See ziehen. Die Winter in Plymouth sind nichts für Feiglinge. Aber Mary wollte nach Florida. Wenn wir älter sind, gehen wir nach Key West, sagte sie immer. Wann hatte sie sich zum letzten Mal im Spiegel angeguckt? Wir sind alt, Mary, wir sind alt, und wir kommen hier auch nicht mehr weg. Häuser gibt’s fast umsonst. Wer würde uns einen soliden Preis für unser Haus bezahlen? Er dachte das alles nur, was sollte er mit ihr reden.
    Sie flogen von Boston nach Chicago, und auf dem O’Hare Airport wurden sie von einer Stretchlimousine abgeholt und Downtown in ihr Hotel kutschiert. Am Abend gab es einen kleinen Empfang. Er kannte nur wenige von den Veteranen, die sich da versammelt hatten. Es waren durchweg höhereOffiziere und nur zwei Generäle, wie er schnell herausfand. Ein Major in Uniform hielt eine kurze Rede, und eine junge Frau gab eine Einführung in das Werk dieses Mies van der Rohe.
    Schien tatsächlich ein berühmter Bursche gewesen zu sein. In Chicago war ein Lehrstuhl nach ihm benannt worden, und den hatte jetzt wieder ein Deutscher inne. Na, die hatten ja auch genug zu bauen nach dem letzten Krieg, kannten sich darin wohl aus.
    Nach der Veranstaltung ging er mit Mary und zwei anderen Ehepaaren in Miller’s Pub in der South Wabash . Er trank zwei Martinis, die letzten seines Lebens.

Hans Leitner
    Hans Leitner war hochgewachsen, eher mager als schmal. Das Haar war dünn. Er trug stets braune Anzüge mit beigefarbenen Hemden. Die meiste Zeit seines nun zu Ende gehenden Berufslebens hatte er beim Verfassungsschutz zugebracht. Einige Jahre hatte er beim BND gedient, aber das war lange her.
    Er freute sich auf den Ruhestand. Else, seine Frau, und er hatten sich vor einigen Wochen einen großen Campingbus gekauft. Damit würden sie Europa durchkreuzen. Lappland, Schweden, Dänemark, dann bis hinunter nach Sizilien ging die erste Tour. Die zweite würde sie durch Spanien bis Portugal bringen und im Jahr darauf würden sie der Donau entlang bis zum Delta am Schwarzen Meer

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