Das München-Komplott
sollte er heute Morgen mal mit ihm frühstücken und ihn ein wenig ausfragen?
Erschöpft stand Dengler auf und ging ins Bad.
Als er eine Dreiviertelstunde später an seinem Schreibtisch saß, sortierte er die Spuren, die er noch verfolgen wollte, bevor er den Fall mit einem Bericht abschließen würde.
Er wollte an dem Fall nicht mehr weiterarbeiten.
Er wollte keinen Blick in die Hölle werfen, wie Dr. Schweikert es ihm empfohlen hatte. Es war besser, nicht zu viel zu wissen und damit eine gewisse Unschuld zu bewahren.
Zwei Spuren wollte er noch verfolgen. Das gebot sein Polizistensinn. Dann würde er den Abschlussbericht schreiben.
Er kramte sein schwarzes Notizbuch aus der Tasche und schrieb auf:
Was weiß die Stasi-Unterlagenbehörde über das Attentat auf das Oktoberfest?
Bundesanwalt Sundermann wird erzählen, wer der Mann im braunen Anzug ist.
Diese beiden Dinge wollte er noch herausfinden.
Und dann war Schluss.
Die Überschaubarkeit seines Plans erleichterte ihn.
Doch damit war es nicht getan. Es rumorte in seinem Kopf.
Der Mann im braunen Anzug muss gewusst haben, dass er und Engel den Finger in den Asservaten untersuchen wollten.
Woher wusste er das?
Irgendwo gab es eine undichte Stelle.
Beim BKA?
Hier? Bei ihm?
Er rief Engel über das abhörsichere Handy an: »Jürgen, ich bitte dich, möglichst sofort nach Berlin zu fliegen und festzustellen, was die Birthler-Behörde an Unterlagen über das Münchener Attentat hat. Ich weiß nicht, ob die Stasi überhaupt etwas darüber hat, aber es könnte sich lohnen, dort nachzufragen. Falls du etwas findest, ruf mich an, ich komme dann sofort nach Berlin.«
»O. k. Was machst du?«
»Ich verbringe einen Tag in Karlsruhe.«
Er berichtete ihm von dem Video.
»Unser Fall nimmt Fahrt auf, was?«, sagte Engel.
»Ja, wird auch langsam Zeit.«
Der Ausweis des Bundeskriminalamtes gewährte ihm schnell Zugang zur Bundesanwaltschaft. Er wurde ins Konferenzzimmer geführt, und kurze Zeit später kam Bundesanwalt Clemens Sundermann und setzte sich ihm gegenüber.
»Besuch vom Bundeskriminalamt bedeutet für einen Bundesanwalt meistens neue Arbeit«, sagte er.
»Diesmal nicht. Diesmal geht es nur um einige Auskünfte.«
»Das ist gut. Ich habe nämlich einiges zu tun. Wir sind gerade an der Sache …«
Er sah auf die Uhr.
»Warum haben Sie die Vernichtung der Asservate im Fall des Oktoberfest-Anschlages von 1980 angeordnet?«
Sundermann sah ihn irritiert an, fasste sich dann aber schnell.
»Nun, der Anschlag liegt schon dreißig Jahre zurück. Es sind keine neuen Erkenntnisse mehr zu erwarten. Allein aus Platz- und Kostengründen sind wir gehalten …«
»Bitte, Herr Staatsanwalt, nehmen Sie mich nicht auf den Arm. Wir wissen, dass Sie Anweisung erhalten haben …«
»Also, das ist doch …«
Sundermann sprang auf und wollte gehen.
»Sie wurden gefilmt. Bitte sehen Sie sich diese Aufnahme an.«
Dengler klappte seinen Laptop auf und spielte den Film ab. Sundermann sah sich, wie er gerade die Oberländer Weinstube betrat.
»Entschuldigen Sie die Verspätung, aber wir haben im Augenblick … Ich muss auch in einer halben Stunde bei einem anderen Termin …« Er war gut zu verstehen.
Schweigend sahen sie eine Weile dem Film zu.
»Müssen wir uns den Film bis zum Ende anschauen?«, fragte Dengler.
Sundermann hatte den Kopf die Hände gestützt. Er war leichenblass.
»Hört das denn niemals auf«, sagte er. »Ich habe doch nur einmal, nur ein einziges Mal war ich auf einer dieser Partys, bei denen …«
»Das interessiert mich nicht«, sagte Dengler. »Ich will nur wissen, wer der Mann im braunen Anzug ist.«
»Das weiß ich nicht.«
»Das wissen Sie nicht?«
»Ich weiß nur seinen falschen Namen. Er nannte sich immer Bergengrün. Aber ich habe nicht einen Moment geglaubt, dass er wirklich so heißt.«
»Warum?«
»Verfassungsschutz.«
Dengler nickte.
Er sagte: »In dem Film sagt dieser Bergengrün, dass er eines dieser Asservate selbst haben will. Haben Sie ihm das gegeben?«
»Ja. Es war nicht einfach, das zu arrangieren. Offiziell ist das Beweisstück vernichtet.«
»Was war es?«
»Ein Finger. In Formalin eingelegt. Aber eindeutig ein Finger.«
Drei Schläge
Martin Klein stand pfeifend vor dem Spiegel. Betty ging heute Abend mit ihm ins Theater. Zuerst würden sie in der Cantina Toscana einen Drink nehmen, da das Wetter gut war – und wenn sie einen Platz fänden, sogar im Freien.
Klein hatte ein weißes Hemd gebügelt.
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