Das München-Komplott
Fall, in den er persönlich als junger Mann verwickelt war.«
»Vielleicht wollte er mich auf Umwegen an die Frage heranführen, die Sie ihm gestellt haben.«
»Das glaube ich nicht.«
Bitter fügte sie hinzu: »Ich glaube einfach gar nichts mehr.«
Da geht es ihr wie mir, dachte Dengler.
»Sehen Sie eine Möglichkeit herauszufinden, was ich gern wissen möchte?«, fragte sie schließlich.
Dengler lachte.
»Ein einzelner Mann gegen einen Geheimdienst? Da überschätzen Sie mich.«
Sie nickte.
»Dann machen Sie dort weiter, wo Sie sind. Es ist sicherlich wichtig, herauszufinden, was damals geschehen ist. Aber …«, sie machte eine kurze Pause, »mich interessiert aus privaten Gründen noch eine andere Geschichte. Vielleicht können Sie mir dabei helfen. Es geht um den pensionierten General Nauber, einen ehemaligen Heeresinspekteur. Er wurde in New York erschossen.«
»Ich habe davon in der Zeitung gelesen.«
»Können Sie sich diesen Mord bitte einmal anschauen? Mich würde interessieren, ob es wirklich ein Zufall oder eine Verwechselung war, wie die Polizei annimmt. Es gibt da einige Ungereimtheiten.«
Dengler zögerte kurz.
»Es tut mir leid, aber ich glaube, Sie überschätzen meine Möglichkeiten. Ich betreibe hier eine Ein-Mann-Detektei. Wie soll ich einen solchen Fall klären? Mit welchen Verbindungen? In New York? Parallel zu all dem hier?«
»Oh, entschuldigen Sie. Es war nur eine Frage.«
Sie stand auf.
»Leben Sie wohl, Herr Dengler, und halten Sie mich auf dem Laufenden.«
»Gern, Frau von Schmoltke.«
Erst als er wieder allein in seinem Büro saß und die eingegangenen E-Mails kontrollierte, entdeckte er das Video. Es war von einem Yahoo-Account abgesandt worden.
»Können wir über Ihre Nachricht reden?«, schrieb er zurück, aber er bekam sofort die Nachricht, dass der Account nicht mehr existierte. Etwas anderes hatte er auch nicht erwartet.
Er sah sich das Video mehrmals an. Den schwitzenden Bundesanwalt, der versprach, die Asservate vernichten zu lassen. Und den Mann im braunen Anzug, der sich seiner Sache einerseits so sicher war und andererseits offenbar so nervös schwitzte, dass er sich dauernd die Hände an den Hosenbeinen abwischen musste.
Google lieferte ihm kurze Zeit später den Namen des einen Mannes: Dr. Clemens Sundermann.
Er wird mir den Namen des Mannes in Braun verraten, dachte Dengler.
Dann ging er zu Bett.
Es war spät geworden.
Und schon wieder keine Nachricht von Olga.
Noch eine Information
Am anderen Morgen weckte sie ihre Tochter um sieben. Sie kroch zu ihr ins Bett. Es war ein schönes Gefühl, wie sich das Kind an sie schmiegte. Sie hatte es fast schon vergessen.
Aber dann flogen die Schatten herbei: vom Dienst suspendiert. So eine Schande. Was wird aus mir werden? Plötzlich wusste sie, dass sie gestern Abend einen Fehler gemacht hatte. Sie hätte diesem Dengler das Video nicht schicken dürfen. Es war illoyal gewesen. Sie war nicht loyal gewesen zu dem Amt und dem Präsidenten. Wenn das aufflog, war ihre Laufbahn endgültig zerstört.
Sie überlegte, während sie ihre Tochter mechanisch streichelte: Es würde nicht auffliegen. Dazu war sie zu vorsichtig gewesen. Niemand würde sie als Absender identifizieren. Aber was hatte sie in der Hand, um den Präsidenten umzustimmen?
Nichts.
Doch. Sie hatte etwas: eine Information. Sie hatte die Information, dass die Schmoltke eine Affäre mit dem jungen Kerl aus Tübingen hat. Bislang wusste nur Huber davon, und der würde sie für sich behalten, bis er sie politisch nutzen konnte. Diese Information wäre aber auch für den Präsidenten und für Leitner wichtig. Vielleicht war das der Schlüssel, der sie in ihren Job zurückbrachte.
Sie schob ihre Tochter beiseite.
»Mama muss einmal telefonieren.«
»Du hast gesagt, du bleibst heute bei mir.«
»Mach dir keine Sorgen, mein Augenstern. Ich telefoniere und bin gleich wieder bei dir.«
Arbeitsplan
Dengler wurde um sechs Uhr wach.
Er stand auf und begann sofort mit Liegestützen. Über ihm auf dem schmalen Podest, das er in eine Ecke im Schlafzimmer geschraubt hatte, stand die Marienstatue aus der Kirche in Altglashütten.
Etwas mitleidig kam ihm der Blick der Mutter Gottes in ihrem abgeschabten blauen Umhang vor, als er nach dem fünfundvierzigsten Auf und Ab bereits aufgeben musste.
Er musste wieder mehr trainieren. Wollte nicht Martin Klein mit ihm joggen gehen?
Was machte der eigentlich? Hatte er bei Betty Gerlach Erfolg gehabt? Vielleicht
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