Das München-Komplott
Notizbuch.
»Alter? Größe? Haarfarbe? Erinnerst du dich?«
Betty nickte, und Dengler schrieb.
Dengler lief zu Fuß vom Katharinenhospital über den Kleinen Schlossplatz ins Bohnenviertel. Es war schon dunkel geworden. Sein Gegenspieler hatte nicht nur die Asservate vernichten lassen, sondern er hatte auch vorgehabt, ihm eine Lektion zu erteilen. Dengler war wütend, dass sie Martin Klein erwischt hatten.
Ausgerechnet Martin, dachte er, Martin, den friedfertigsten Menschen, den er kannte.
Das hätte er nicht tun dürfen, Martin Klein zusammenzuschlagen, das war ein großer Fehler gewesen.
Er wusste nicht, wer sein Gegenspieler war, aber er wusste, dass er diesen Fall jetzt zu Ende führen würde.
Dengler war wütend.
Er hatte sich an seinen Küchentisch gesetzt und gerade den Korken aus einer Flasche Brunello gezogen, als Jürgen Engel auf dem abhörsicheren Handy anrief.
»Georg, halt dich fest. Volltreffer.«
»Werd ein bisschen deutlicher.«
»Die Stasi wusste alles. Es ist unglaublich. Du musst sofort nach Berlin kommen. Weißt du, wie viele Akten die über das Oktoberfest-Attentat hier haben?«
»Natürlich nicht.«
»Über achttausend Blatt. Die haben alles gewusst. Die hatten ihre Leute in der Sonderkommission, in der Bundesanwaltschaft, in der Regierung. Nur wenige Minuten nachdem eine Information bei der Sonderkommission einging, war sie auch in Ostberlin bei der Stasi. Kannst du morgen in Berlin sein? Ich schaffe dieses Papiergebirge nicht allein.«
»Werden Namen genannt?«
»Ja, klar. Ich lass bereits die Stasi-Leute abgleichen, die ich heute in den Unterlagen gefunden habe. Ich hoffe, dass ich morgen deren neue Adressen habe.«
»Bravo, Jürgen. Wir werden den Laden ausmisten.«
»Die Stasi?«
»Nein. Diesmal den unseren. Ich nehme die früheste Maschine nach Berlin.«
Akten
In dem großen Gebäude der Stasi-Unterlagenbehörde oder Birthler-Behörde, wie das Amt nach seiner Leiterin auch genannt wurde, hatte man ihnen einen kleinen Raum zugewiesen und mit zwei Bibliothekstischen ausgestattet. Auf sechs überladenen Rollwagen hatten zwei Mitarbeiter die Unterlagen in den Raum gefahren.
»Na denn, viel Freude beim Lesen«, sagte einer der beiden.
Sie teilten sich die Arbeit auf. Dengler übernahm die Ermittlungen der Sonderkommission, Engel die Unterlagen über die Wehrsportgruppe Hoffmann und das Material, das die Stasi aus der Bundesanwaltschaft zusammengetragen hatte. Beide führten sie je eine Liste, auf der sie Namen von Stasi-Berichterstattern notierten.
Nach wenigen Seiten war Dengler fasziniert.
Die Berichte der Stasi-Agenten klangen, als hätten sie einen offiziellen Berichterstatter in der Sonderkommission Theresienwiese stationiert gehabt. Teilweise im Minutentakt wurden die Ergebnisse der Kommission nach Berlin in die Stasi-Zentrale gemeldet.
Sprengstoffanschlag während
des Oktoberfestes
in München Streng vertraulich
Information G/5566/29/09/80
In Zusammenhang mit der am Abend des 26. 09. 1980 am Eingang der Festwiese des Münchener Oktoberfestes erfolgten Detonation eines Sprengkörpers gelangten interne Informationen aus dem Operationsgebiet zur Kenntnis.
Diese Informationen ergänzen die bereits durch die BRD-Massenmedien verbreiteten Meldungen über die Situation am Tatort unmittelbar nach dem Anschlag, untermauern publizierte Hinweise, dass die Täter in der Rechtsszene zu suchen sind und lassen Aussagen zu den von den zuständigen Organen der BRD realisierten Maßnahmen zu.
Informationen zu den von den gegnerischen Organen realisierten Maßnahmen und deren Ergebnisse.
Die Ermittlungsführung im Zusammenhang mit dem Anschlag wurde vom LKA, München, übernommen. Bei der Abteilung Staatsschutz des LKA erfolgte noch in der Nacht vom 26. 09. 1980 die Bildung einer Sonderkommission mit der Bezeichnung Theresienwiese
Kurzbezeichnung
»SoKo Theresienwiese«.
Leiter: Kriminaldirektor ZIEGENAUS
Stellvertreter: Kriminaloberrat HÖSL
tel. Erreichbarkeit: 089- 1251 – 459
089- 1251 – 461
Nachfolgend sind die bekannt gewordenen Hinweise zu den Maßnahmen des Gegners im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Terroraktes chronologisch geordnet aufgeführt:
27. 09. 1980
01.00 Uhr
Der Vizepräsident des BKA
Dr. ERMISCH, Günter
wurde vom Dauerdienst des BKA Wiesbaden darüber unterrichtet, dass das BKA dem LKA München die Entsendung der Tatortgruppe angeboten habe.
Das LKA München lehnte jedoch dankend ab.
In diesem Zusammenhang gab der
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