Das Multiversum 1 Zeit
Linien sich vom Asteroiden entfernten.
Die Penetratoren schlugen mit tausend Kilometern pro Stunde mit der Wucht einer Granate auf der Oberfläche des Asteroiden ein und verschwanden in schwarzen Regolithwolken. Bald stiegen exakt kreisförmige Rauchringe vom Kraterboden empor, und die zum Raumschiff führenden Trossen hingen schlaff durch. Nachdem sie eine Verzögerung von vielleicht zehntausend Ge überstan-407
den hatten, waren die Penetratoren zwei Meter unter der Oberflä-
che von Cruithne verankert.
Die Entwicklung einer Sonde, die präzise wissenschaftliche Daten zu übermitteln vermochte und zugleich einen solchen Aufprall überstand, war schon eine Leistung. Bootstrap hatte für dieses Projekt viel Geld ausgegeben. Die Wissenschaft musste aber noch warten. Die Hauptaufgabe der Penetratoren bestand darin, die O'Neill an Cruithnes Oberfläche zu befestigen und das Schiff wie ein Bei-boot an einer Yacht zu vertäuen.
Nun hörte Emma das Surren von Winden. Die Kabel wurden in träge Schwingungen versetzt, und sie sah die Oberfläche langsam näher kommen. Ein Penetrator löste sich in einer Staubwolke; das Kabel erschlaffte, rollte sich spiralförmig auf und verschwand aus dem Blickfeld.
Ein unmerklicher Ruck ging durchs Schiff, und ein leichter Staubschleier wurde aufgewirbelt. Darauf Stille und Stillstand – und ein Stück von Cruithne, das zum Fenster hereinschaute.
Malenfant zog sich die Feuerwehrstange herab und setzte ein breites Grinsen auf. »Die O'Neill ist gelandet.« Er umarmte sie, und sie sah, dass Malenfants Elan und Freude auf Michael anste-ckend wirkten. Er grinste auch.
»Auf geht's«, sagte Malenfant. »Packen wir's an!«
Die Ketten der Feuerkäfer, die wie metallische Mistkäfer riesige Mengen Regolith förderten, wirkten ebenso lustig wie inspirierend.
Emma wunderte sich, dass die Feuerkäfer unter den Bedingungen auf Cruithne mit einer solchen Geschwindigkeit zu arbeiten vermochten. Autonom gesteuert und mit erstaunlicher Eleganz und Effizienz bahnten sie sich mit ihren Leinen, Felshaken und Klauen einen Weg über die Oberfläche. Und wegen der geringen Schwerkraft vermochten sie große Lasten zu tragen.
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Schon nach wenigen Stunden kroch Emma durch einen engen, mit Gewebe ausgekleideten Tunnel von der O'Neill in die neue Kuppel.
Sie richtete sich auf und schaute sich um. Sie stand auf einem Kunststoffbelag, der nahtlos mit den Wänden abschloss. Das ganze Ding war nur eine Textilblase mit einem Basis-Durchmesser von neun Metern und wirkte wie ein aufblasbares Zelt. Das Dach über ihr mit einer Scheitelhöhe von drei Metern war gelb durchsichtig und wurde von Luftdruck getragen. Die Feuerkäfer hatten ein Leinen-Netz übers Dach geworfen und eine Regolithschicht von einem Meter Dicke darauf geschaufelt, die als Strahlenschutz dienen sollte. Die von der O'Neill herangeschaffte Ausrüstung wurde in der Mitte der Kuppel gestapelt.
Die gelben Tritium-Glühlampen spendeten ein grelles Licht. Es roch verbrannt, wie nach Asche: Sie wusste, das war Asteroidenstaub, der trotz aller Vorsichtsmaßnahmen in ihr Habitat eingedrungen war. Die feine Substanz oxidierte und verbrannte an der Luft.
Sie kniete nieder. Regolith schimmerte als verschwommene Brocken durch den Boden. Der Kraterboden war von den Feuerkäfern planiert worden, ehe sie die Kuppel errichtet hatten; sie sah Rillen und Grate, wo der uralte Grund wie ein Blumenbeet in einem Vor-stadtgarten geharkt worden war. Sie drückte mit dem Finger auf den Bodenbelag. Es war ein viel zäheres Material, als es den Anschein erweckte, und sie vermochte es nur etwa zwei Zentimeter tief einzudrücken. Und während sie drückte, spürte sie, wie sie ab-hob; Cruithnes schwache Gravitation hielt sie nur sanft am Boden fest.
Michael war ihr gefolgt. Er schien erleichtert, aus dem Schiff herausgekommen zu sein. Er rannte am Umfang der Kuppel entlang – oder vielmehr versuchte er zu rennen. Bei jedem Schritt stieg er in die Luft, prallte vom Kuppeldach ab und sank wieder 409
auf den Boden, um zum nächsten Schritt anzusetzen. Nach ein paar Schritten hatte er den Bogen raus. Er legte einen Zahn zu und hüpfte und stieß sich im Wechsel an der Decke ab.
Die Unterkunft war behelfsmäßig. Trotzdem war Emma guter Dinge. Nach neunzig Tagen war es eine enorme Erleichterung, nicht mehr in der engen Blechbüchse der O'Neill eingesperrt zu sein, zumindest für eine Weile.
Es roch hier auch besser als in der O'Neill.
In dieser Nacht feierten sie
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