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Das Multiversum 1 Zeit

Das Multiversum 1 Zeit

Titel: Das Multiversum 1 Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Wasser bis zum Anschlag auf und stellte sich für lange Minuten unter die Brause, bis der Raum wie eine Sauna mit Dampf geschwängert war.
    Sie hatte vielleicht seit sechsunddreißig Stunden nicht mehr geschlafen. Sie erinnerte sich nicht mehr, wann sie zum letzten Mal etwas gegessen hatte. Sie wusste nicht, wie gut ihr Verstand noch funktionierte.
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    Aber hier schien es sich um ein Schlachtfeld zu handeln. Die Frontlinie. Und auf einem Schlachtfeld bekommt man nicht viel Schlaf.
    ■
    Offenes Journal, 8. März.
    Es ist klar, dass – ob sie es nun ernst gemeint hat oder nicht – Annas grob skizzierter Entwurf einer neuen sozialen Ordnung, die von den Blauen Kindern entwickelt wurde, ihnen eine Feindschaft eingebracht hat, die über die physische Bedrohung, die sie darstellen, noch hinausgeht. Niemand wird sich einer Ideologie unterwerfen, die eine Horde vorlauter Kinder sich ausgedacht hat. Zumal die unterschwellige Angst vorherrscht, dass schon durch ein Überdenken der Vorschläge die tatsächliche Kontrolle an die Kinder übertragen wird.
    Waren schließlich nicht auch Nazi-Deutschland und die Sowjetunion ein Triumph einer zentralisierten, planenden ›wissenschaftlichen‹ Elite? Ich habe den Eindruck, dass die menschliche Rasse einfach noch nicht weit genug entwickelt ist, um einer Teilmenge von sich die Macht anzuvertrauen, das Leben der anderen zu regeln.
    Das soll aber nicht heißen, dass die Reaktion auf der ganzen Welt einheitlich sein wird. Vielleicht wird irgendein durchgeknall-tes totalitäres Arschloch örtliche Blaue Kinder anheuern, um sein lausiges Regime zu stützen. Und selbst in politisch aufgeklärten Teilen der Welt werden die Vorschläge der Kinder vielleicht nicht auf die gleiche instinktive Ablehnung stoßen wie bei den Amerika-nern. Die Franzosen haben zum Beispiel eine Neigung zur Zentra-lisierung, die auf Colbert im siebzehnten Jahrhundert zurückgeht.
    Wenn ich als Amerikanerin dort zu Besuch war, habe ich mich 471
    immer über die dortige Arbeitsweise amüsiert: wie Spitzenmana-ger, die an den grandes ecoles ausgebildet wurden, zwischen Posten als Ministerialberater und Industriekapitän changieren …
    Aber nicht in Amerika. Amerika wurde schließlich in dem Glauben aufgebaut, dass zentralisierte Kontrolle prinzipiell etwas Schlechtes sei. Und was ist mit der Demokratie? Ich wäre jedenfalls zutiefst misstrauisch, wenn irgendjemand, irgendein Utopist daherkäme und verlangen würde, die Macht an irgendeine Elite abzutreten, und sei sie noch so gütig.
    Aber ich glaube, dass es eine noch tiefere Angst, sogar einen Instinkt gibt, der unter den Schichten des Verstands verborgen liegt.
    Sogar in meinem Herzen.
    Es ist gut möglich, dass diese Kinder der Homo Sapiens-Masse, aus der sie hervorgegangen sind, in irgendeiner Weise überlegen sind.
    Vielleicht würden sie die Welt besser regieren als jeder Mensch; vielleicht wäre eine Welt voller Blauer ein ungleich besserer Ort, ein Schritt vorwärts.
    Vielleicht. Weil ich aber gewählt wurde, die Interessen einer gro-
    ßen Zahl von H Sap zu vertreten – und weil ich selbst ein stolzer H Sap bin – werde ich nicht untätig herumsitzen und mir meinen Planeten von diesen Blauen wegnehmen lassen.
    Falls diese finale Lösung abgelehnt wird, wird man wohl weitere militärische Lösungen diskutieren und proben und die Schraube der Eskalation etwas anziehen. Vielleicht werden wir am Ende wieder an diesem Punkt ankommen, der Entfesselung des Feuers.
    Aber dann könnte es zu spät sein.
    Zeit ist der Schlüssel.
    Aber das ist alles nur Rationalisierung. Ich muss darüber entscheiden, ob elf amerikanische Kinder getötet werden sollen. Nur darum geht es.
    Ich bin nicht in die Politik gegangen, um in so etwas verwickelt zu werden. Aber wer ist das schon? Und ich habe auch gelernt, 472
    dass die Kunst der Führung überwiegend darin besteht, das kleinere Übel zu wählen.
    Immer unter der Voraussetzung, dass wir überhaupt eine Wahl haben.
    Wie ich mit dieser Sache lebe, wenn sie vorbei ist – das ist eine interessante Frage.
    Sie stellte die Dusche ab. Der Dampf löste sich auf, die Luft klärte sich, und plötzlich fror sie.
    ■
    Wieder stand sie mit Dan Ystebo im Kontrollzentrum. Doch nun herrschte Stille an diesem Ort, außer dem leisen Zischen der Klimaanlage und dem Surren der Computerlüfter.
    Die vielen Instrumente, die den Gesundheitszustand der Kinder – Herzschlag, Atemtätigkeit und Körpertemperatur – überwachten und die

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