Das Multiversum 1 Zeit
sich zusammen und kochen ihr eigenes Süppchen, sagt die Rektorin. Sie bedienen sich sogar einer eigenen Sprache, sodass sie sich jeder Kontrolle entziehen.
Und dann das Problem der Gewalt. Die Rektorin wollte sich zwar nicht dazu äußern, aber ich bekam den Eindruck, dass ein paar Lehrer sich nicht genug für den Schutz der Kinder einsetzen.
Ich fragte die Rektorin, wieso gerade wir? Aber sie hatte darauf keine Antwort.
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Zumal auch niemand sich das Auftauchen dieser Kinder zu er-klären vermag. Vielleicht hat es mit der Umwelt zu tun oder mit der Nahrung, oder sie waren im Mutterleib irgendeiner Strahlung ausgesetzt. Es ist purer Zufall, dass wir auch davon betroffen sind.
Auf jeden Fall sucht der Schulrat nach einer anderen Lösung für Tom. Vielleicht bekommt er einen Privatlehrer. Wir bekommen vielleicht sogar einen ELehrer, obwohl ich nicht weiß, wie gut die sind. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass es Vorschläge für eine Art von Sonderschule nur für diese Kinder gibt, aber die wären dann nicht am Ort; wir müssten Tom auswärts unterbringen.
Davon abgesehen will ich auch gar nicht, dass Tom auf eine Sonderschule kommt, und ich weiß, dass du das genauso siehst.
Ich will, dass er intelligent ist. Ich bin stolz, dass er intelligent ist. Aber ich will auch, dass er so ist wie andere Kinder. Ich will nicht, dass er anders ist.
Tom möchte, dass ich etwas aus seinem Herzen für dich herun-terlade. Eine Sekunde …
Emma Stoney:
Im Büro in Vegas lehnte Emma sich zurück und las sich ihre neuste Eingabe an Maura Della noch einmal durch.
… Die alten Verträge, welche die Weltraumaktivitäten regeln, sind Bei-spiele akademischer Gesetzgebung. Sie wurden lang vor den Aktivitäten abgeschlossen, die sie eigentlich regeln sollten. Auf jeden Fall werden sie nicht den legitimen Bedürfnissen privater Unternehmungen und Einzelper-sonen gerecht, die Weltraum-Ressourcen erwerben und/oder profitorientiert nutzen wollen. Im Grunde sind diese Verträge eher politische Erklärungen seitens der früheren Sowjetunion und Länder der Dritten Welt als ein sinnvolles Regelwerk.
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Daher glauben wir, dass die Kündigung der ratifizierten Verträge die angemessenste Maßnahme wäre. Es gibt hierfür einen herausragenden Prä-
zedenzfall, als Präsident Carter nämlich per Ausführungsverordnung den Panamakanal-Vertrag kündigte. Und offen gesagt: Weil die Vereinigten Staaten diese Verträge in Hinblick auf einen Hauptkonkurrenten unterzeichnet hatten – die Sowjetunion, ein Konkurrent, der nicht einmal mehr existiert –, besteht auch kein Grund mehr, sich moralisch von ihnen binden lassen …
Malenfant ließ sich auf einen Kampf ein, indem er sein verdammtes Raumschiff draußen in der Wüste nur baute und es dem Blick der Kameras aussetzte. Er provozierte die Bürokraten, Pfrün-denbesitzer und Lobbyisten, ihm Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Mit dieser Unerschrockenheit hatte er es schon weit gebracht. Emma befürchtete aber, dass Malenfant die schwierigste Wegstrecke noch vor sich hatte; die Bürokratie kam gerade erst in Bewegung.
Emma versuchte mit einem Team von Fachanwälten, die hauptsächlich in New York saßen und mit der Unterstützung von Maura Della und anderen Freunden in Washington die rechtlichen Hürden wegzuräumen, die Malenfants BDBs mit der gleichen Sicherheit an den Boden fesseln würden wie eine Explosion auf der Startrampe.
Weltraumaktivitäten wurden international durch diverse Verträge geregelt, die aus der Steinzeit des Raumflugs datierten: Zeiten, als nur die Regierungen Raumschiffe betrieben, Verträge, die im Schatten des Kalten Kriegs aufgesetzt worden waren. Aus der Gesamtheit der schwammig formulierten gesetzlichen Bestimmungen und Verträge resultierten Sinnfehler und Widersprüche.
Zum Beispiel die Haftung bei unerlaubter Handlung. Falls Malenfant eine Fluglinie betrieben hätte und eins seiner Flugzeuge über Mexiko abgestürzt wäre, dann hätte er die Verantwortung getragen, und die Versicherung hätte die Schadenersatzzahlungen 101
und Gerichtskosten übernehmen müssen. Falls jedoch Malenfants BDB abstürzte, dann würde gemäß den Bedingungen eines Weltraum-Haftungsabkommens von 1972 die US-Regierung haften.
Ein anderes Problem war die Frage der Zuerkennung der Lufttüchtigkeit – beziehungsweise der Raumtüchtigkeit – von Malenfants BDBs. Jedes Luftfahrzeug, das eine internationale Grenze überflog, musste eine im Ursprungsland ausgestellte Bescheinigung
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