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Das Multiversum 3 Ursprung

Das Multiversum 3 Ursprung

Titel: Das Multiversum 3 Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Holz.
    Sie stellte fest, dass sie einen Rochen aufgespießt hatte, einen großen braunen, kantigen Fisch mit einem Durchmesser von vielleicht zwei Fuß. Rochen gruben sich im Schlick ein und kamen nachts heraus, um Schellfisch zu jagen. Der Fang zappelte heftig, und ihr blieb nichts anderes übrig, als die Harpune festzuhalten.
    Grunzend vor Anstrengung wuchtete sie den Rochen über den Kopf und warf ihn in den Sand, wo er zappelte und langsam ver-endete. Sie brachte es nach wie vor nicht übers Herz, ein Lebewe-458
    sen zu töten und ließ ihre Opfer stattdessen sterben. Dieser Heu-chelei war sie sich immerhin bewusst.
    Sie kam aus dem Wasser. Dann unterzog sie die Harpune einer schnellen Sichtprüfung und fragte sich, ob es sich lohnen würde, sie zu behalten. Sie hatte gelernt, Energie und Zeit zu sparen und nichts wegzuwerfen, für das sie vielleicht noch Verwendung hatte.
    Aber die Dornen waren von den Zweigen abgebrochen. Sie wickelte die Lederschnur ab und verstaute sie wieder im Rucksack. Die Einzelteile der Harpune, deren Fertigung sie sich noch vor ein paar Monaten nicht hätte träumen lassen, warf sie achtlos weg – wie ein Ham-Handwerker sein Werkzeug nach getaner Arbeit fallen ließ und vergaß.
    Mit dem Faustkeil enthäutete sie den Fisch und nahm ihn aus.
    Die Innereien waren grundsätzlich ungenießbar, und die Haut war vielleicht mit giftigem Schleim oder gefährlichen Stacheln bedeckt: Kniffe, an die sie sich von den Camping-Ferien im Wald erinnerte.
    Dann zog sie wieder den Overall und die Stiefel an, hob den Rochen und den Rucksack auf und marschierte am Strand entlang zur Ham-Siedlung.
    Diese Hams duldeten ihre stumme Präsenz in der Ecke der Hütte, wie sie auch schon von den anderen Gruppen toleriert worden war, denen sie begegnet war. Das Rochenfleisch, das Emma ihnen als ›Einstand‹ darbot, verschmähten sie natürlich – was auch zu erwarten gewesen war. Aber sie brachte ihnen immer wieder Geschenke vom Meer mit, bis schließlich alle vom weißen aromati-schen Fleisch gekostet hatten.
    Also richtete sie sich in der Ecke des Gemeinschaftshauses ein, wickelte sich nachts in die schmutzige Fallschirmseide, beobachtete die Hams und wartete auf eine Gelegenheit, zum Landungsboot auf der Klippe aufzusteigen.
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    Sie merkte sich ihre Namen – Abel und Ruth, Saul und Mary –, merkwürdige quasi-biblische Namen, die sie wie auch das gebrochene Englisch vermutlich einem lang zurückliegenden Kontakt mit Menschen, Eiferern oder anderen › Skinny -Leuten‹ zu verdanken hatten. Sie versuchte, ihre komplexen sozialen Interaktionen zu verfolgen, die zum großen Teil aus spekulativem Tratsch über die wagemutige Kind-Frau Mary bestanden.
    Sie waren typische Hams. Doch so gesehen waren alle Hams typische Hams.
    Sie sprachen ein richtiges ›Pidgin-Englisch‹ mit falscher Aussprache, fehlenden oder verwaschenen ›G‹-, ›K‹- und ›th‹-Konsonanten und Vokalen. Immerhin kannte ihre Sprache Zeiten – Vergangenheit und Zukunft – und sogar einen Konjunktiv. Der wurde zum Beispiel von den Frauen benutzt, wenn sie sich darüber unterhielten, was wohl geschähe, wenn Mary sich Saul hingäbe oder wenn sie vorher Abrahams unbeholfenem Werben erläge. Aber ihre Sprache war elementar und verfügte nur über ein einfaches Vokabular, das sie selbst, ihre Körper und die Hütte beschrieb.
    Und was Mary betraf, so befand sie sich eindeutig in einer Phase stürmischer hormoneller Schwankungen: Sie genoss die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wurde und fürchtete sich zugleich davor.
    Aber sie machte die Männer nicht an und ließ auch keinen an sich heran, wie Emma feststellte. Lug und Trug schien diesen Leuten völlig fremd zu sein. Sie waren in vielerlei Hinsicht klug, aber wozu auch immer sie diese großen Köpfe benutzten, zum Lügen jedenfalls nicht. Das blieb den Menschen vorbehalten.
    Mit diesen zweifelhaften anthropologischen Spekulationen hielt sie zumindest das Gehirn auf Trab. Allerdings kam sie dadurch dem eigentlichen Ziel keinen einzigen Schritt näher: Der großen schwarzweißen Motte, die über ihren Köpfen an der Klippe hing und an der die Hams nicht das geringste Interesse zeigten.
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Manekatopokanemahedo:
    Manekato drang in den Wald ein. Er war dicht, dunkelgrün, feucht und kalt und schien sich ihr entgegenzustemmen. Die Schatten der Bäume fielen in alle Richtungen und verbargen schemenhafte, flüchtige Gestalten, als ob wilde Tiere sich überall um sie herum spiegelten und wieder

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