Das Multiversum 3 Ursprung
erneut. Sie breitete einen Lederschurz auf dem Schoß aus und improvisierte aus zähem Leder einen Verband für die Hand. Dann widmete sie sich wieder den Bändern und Sehnen.
Konzentrier dich auf die Arbeit, Emma. Denk daran, wie der Stein sich angefühlt hat, lausche dem Reiben an den Sehnen, riech das geronnene Blut; spür die Sonne auf dem Kopf, lausch dem regelmäßigen Atem von Narbenkopf …
Sie traf auf Knochen. Der Faustkeil schabte über die harte Oberfläche und wäre ihr fast aus der Hand geprellt worden. Sie zog den Faustkeil zurück, drehte ihn um und grub die scharfe Kante tiefer ins Gelenk, um die restlichen Sehnen zu durchtrennen.
Ein letzter Fleischfetzen riss, und das Bein löste sich ab.
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Sie starrte seltsam fasziniert auf die Knochen des Gelenks. Selbst Malenfant, der nie das geringste Interesse an Biologie gezeigt hatte, hätte sich vielleicht für diese sinnreiche Mechanik der Natur interessiert, wenn er das Tier mit eigenen Händen zerlegt hätte.
Und sie analysierte noch immer. Falsch.
Sie schaute zu Narbenkopf auf. Er beachtete sie nicht, denn er war in seine Arbeit versunken und filetierte gerade das Fleisch vom Schultergelenk, das er in der Hand hielt. Sie folgte seinem Beispiel. Sie grub die Klinge in die Lücke zwischen Fleisch und Knochen und durchtrennte die Sehnen, die den Muskel mit dem Knochen verbanden. Sie hatte bald den Bogen raus: Sie stellte das Schulterblatt auf den Boden, klemmte es zwischen die Knie und zog dann mit einer Hand am Muskel, um das Gelenk freizulegen, das sie dann mit der anderen Hand durchtrennte. Sie drehte den Faustkeil rhythmisch in der Hand, um immer mit der schärfsten Schneide zu arbeiten.
Sie versuchte, an nichts zu denken – nicht an die Erde, Malenfant, die Windmauer, das Schicksal der Menschheit, ihr eigenes Schicksal –, an nichts anderes als die Wärme der Sonne, das Fleisch in der Hand, das Schaben von Stein auf Knochen.
Für kurze Momente, während die hypnotischen Rhythmen des Schlachtens das Bewusstsein erfüllten, wurde es ihr bewusst.
Es war, als ob sie nicht länger die kleine perspektivische Kamera war, die sich hinter den Augen befand; es war, als ob sie aus sich heraustrete, so dass sie die Hände willentlich führte und sich weiter ausbreitete, zum Werkzeug, zum Fleisch und dem Knochen, den sie bearbeitete, zu den Wäldern und Vegetationszonen, zu den Kraterwänden und den wandernden Herden und zu allen anderen Details dieser kleinen Welt, einer unveränderlichen Welt, die seit vielen Generationen von den Hams bewohnt wurde.
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Ihre Hände hatten die Schlachtung beendet. Auf einer Seite neben ihr lag ein abgeschabter Schulterknochen, auf der anderen ein ordentlicher Haufen filetiertes Fleisch.
Sie schaute in tiefe Augen, spürte die Wärme der Sonne, spürte die wohligen Schmerzen in Armen und Händen. Sie vergaß den Namen, den sie ihm gegeben hatte, vergaß ihren eigenen Namen, verlor sich in seinem tiefen Blick.
Schatten neben ihr. Es waren Joshua und Julia … Nein, keine Namen; diese Leute waren einfach, wer sie waren, jeder in ihrer Welt kannte sie, ohne dass es nötig gewesen wäre, sie mit Namens-schildern zu versehen. Sie nahm ihre Hände und ließ sich auf die Füße stellen.
Die Hams führten sie den Hügel hinauf, weg von den Höhlen, dem Ort entgegen, wo der unnatürliche Wind stöhnte.
Es war nicht wie ein Traum; dazu war es zu detailliert. Sie spürte die Schärfe jeden roten Sandkorns unter den Füßen, das Fächeln der Luft über die Wangen, das salzige Prickeln von Schweiß im Gesicht und am Hals, den stechenden, fast angenehmen Schmerz der aufgeschnittenen Handfläche. Es war, als ob man ihr einen Schleier vor den Augen weggezogen und Stöpsel aus Ohren und Nase gezogen hätte, woraufhin die Farben kräftig und lebendig wurden – rote Erde, grüne Vegetation, blauer Himmel – und die Geräusche waren klar, körnig, laut, der Füße, die in der Erde knirschten, des Windes, der durchs struppige Gras zischte, das sich an diese oberen Hänge klammerte. Sie fühlte sich wieder wie ein Kind, sagte sie sich, ein Kind an einem schönen Samstagmorgen im Sommer, wo der Tag zu lang war, als dass man sich sein Ende vorzustellen vermochte, die Welt zu spannend war, als dass man sie analysieren hätte können.
Fühlte man sich so als Neandertaler? Wenn ja, war das – beneidenswert.
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Sie hatten den Grat des Kraterrand-Hügels erreicht. Sie gingen in einer Linie und Hand in Hand weiter.
Diese Mauer aus Luft
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