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Das Multiversum 3 Ursprung

Das Multiversum 3 Ursprung

Titel: Das Multiversum 3 Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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augenfälliges Beispiel dafür, dass die Läufer den Menschen in einem Bereich – zum Beispiel Spuren-lesen – ebenbürtig und in einem anderen – zum Beispiel mit Maxie Verstecken spielen – dümmer als das kleinste Kind waren.
    Es war, als ob ihr Bewusstsein ein Wabenkern gewesen wäre, dessen einzelne Waben teils gefüllt, teils leer waren.
    Wenn die Läufer ein Nachtlager aufschlugen, suchten sie nach Steinen und Holzstücken und fertigten schnell die Werkzeuge an, die sie benötigten: Faustkeile und Speere. Doch sonst trugen sie nichts bei sich außer Nahrung. Wenn es dann am nächsten Morgen Zeit zum Weiterziehen wurde, warfen sie die Faustkeile ein-140
    fach weg und ließen die Werkzeuge in dem Abfallhaufen liegen, den sie bei ihrer Fertigung erzeugt hatten.
    Emma erkannte aber, dass das durchaus sinnvoll war. Es dauerte nur etwa eine Viertelstunde, um einen brauchbaren Faustkeil anzufertigen, und die Läufer hatten einen geübten Blick für die benö-
    tigten Werkstoffe. An einem Ort, der ihnen diese Dinge nicht bot, hätten sie wahrscheinlich gar nicht erst Rast gemacht. Fünfzehn Minuten in die Fertigung eines neuen Faustkeils zu investieren war viel sinnvoller, als den ganzen Tag eine rasiermesserscharfe Klinge in der Hand zu halten.
    All diese Verrichtungen bestimmten ihre Lebensweise, die sie irgendwie ganz sympathisch fand. Die Läufer hatten keine Besitztü-
    mer. Wenn sie einen Ortswechsel planten, ließen sie einfach alles zurück, als ob man aus einem eingerichteten Haus auszog und den Schlüssel in der Haustür stecken ließ. Wenn sie ihr Ziel erreicht hatten, fertigten sie die Dinge, die sie brauchten, einfach neu an, und nach einem halben Tag waren sie wahrscheinlich wieder so gut ausgerüstet wie vor dem Umzug. Sie mussten diese Le-bensart als sehr befriedigend empfinden, weil sie keinerlei Ballast in Form von Besitz, Andenken und Erinnerungen mitschleppten.
    Sehr genügsam.
    Sally hatte dafür nur Verachtung übrig. »Löwen besitzen auch nichts. Elefanten und Affen auch nicht. Emma, diese Affenmenschen sind Tiere, auch wenn sie wie Basketball-Spieler gebaut sind.
    Die Vorstellung, etwas zu besitzen, das nicht sofort in ihrem Mund verschwindet, ist ihnen so fremd wie meiner Katze.«
    Emma schüttelte nur den Kopf. Die Wahrheit, so vermutete sie, lag tiefer.
    Ob Mensch oder Tier, auf jeden Fall marschierten die Läufer wie ein Uhrwerk. Sie waren schwarze Schemen auf rotem Grund, die sich mit Schreien und Rufen verständigten, nackte Laufmaschinen.
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    Bald waren Emmas Strümpfe blutdurchtränkt, und wo die Stiefel nicht die genaue Passform hatten, scheuerten sie die Füße wund.
    Jeder Morgen wurde zum großen Teil von Fußpflege ausgefüllt, wobei Emma und Sally Blasen aufstachen und die verschlissenen Stiefel mit Laub und Gras ausstopften. Und wenn sie die Hosenbeine hochkrempelte, sah sie, dass die Schienbeine mit blauen Flecken übersät waren. Sally war ähnlich betroffen. Sie wechselten sich beim Tragen von Maxie ab. Weil sie aber noch mit den Bündeln aus Fallschirmseide beladen waren, musste er die meiste Zeit gehen, und er stapfte quengelnd neben ihnen her.
    Auf den langen Tagesmärschen verbrachte Emma zwangsläufig mehr Zeit mit Sally, als sie eigentlich wollte.
    Emma und Sally mochten sich nicht sonderlich. Das war die ungeschminkte Wahrheit.
    Es gab auch keinen Grund, wieso sie Sympathie für einander hätten aufbringen sollen; schließlich waren sie zufällig vom Himmel gefallen und bildeten eine Schicksalsgemeinschaft. Wenn sie schlecht drauf waren, ließen sie ihrer Antipathie freien Lauf und beschimpften sich. Aber das hielt nie lange an. Sie waren beide intelligent genug, um zu erkennen, dass sie aufeinander angewiesen waren.
    Trotzdem schaute Emma irgendwie auf Sally herab. Als Nutz-nießerin der steilen Karriere ihres Manns hatte Sally sich an einen luxuriösen Lebensstil gewöhnt, den Emma weder kannte noch angestrebt hatte. Emma hatte oft mit sich gehadert, weil sie ihre eigenen Wünsche ihrem Mann zuliebe geopfert hatte, aber sie hatte trotzdem den Eindruck, dass Sally viel mehr aufgegeben hatte, als sie selbst jemals bereit gewesen wäre zu opfern.
    Um ihr Verhältnis nicht unnötig zu belasten, behielt sie solche Gedanken aber für sich.
    Und Emma musste Sallys innere Stärke anerkennen. Sie hatte schließlich ihren Mann verloren und mit ansehen müssen, wie er 142
    vor ihren Augen brutal massakriert wurde. Nach der Überwindung dieses Schocks hatte Sally in einer

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