Das Multiversum 3 Ursprung
den Fahrersitz und schaltete den SmartDrive zu. Das Fahrzeug fuhr seidenweich an und verließ das Rollfeld.
Sie fuhren zügig über die leeren Straßen an der Peripherie der Luftwaffen-und Raumfahrtbasis Vandenberg. Die Straße wurde auf beiden Seiten von niedrigen grünen Büschen mit zitronengel-ben Blüten gesäumt. Sie fuhren in westlicher Richtung, die Sonne im Rücken, dem Meer und der Startanlage entgegen.
Paulis legte sogleich mit einem Vortrag über die Arbeit los, die hier verrichtet wurde und die Rolle, die er dabei spielte. »Ich möchte Sie mit meinem Triebwerksmann bekannt machen, einem alten Fuchs namens George Hench von der Air & Space Force. Er bezeichnet sie natürlich noch als Luftwaffe. Er arbeitet schon seit den 1950ern an den Raketenprogrammen mit …«
Malenfant lehnte sich im warmen Sonnenlicht zurück und hörte Paulis mit halbem Ohr zu. Diese Fähigkeit hatte er entwickelt, seit der faszinierte Blick der ganzen Welt sich auf ihn gerichtet hatte.
Alle schienen es für viel wichtiger zu halten, ihm zu erzählen, wie sie sich fühlten und was sie glaubten, anstatt sich anzuhören, was er zu sagen hatte. Es war, als ob jeder ein Stück von seiner Seele in den Kopf des Manns implantieren wollte, der ihnen zuliebe zum Roten Mond fliegen würde.
Aber egal. Solang sie nur ihre Arbeit machten.
Sie erklommen eine leichte Steigung und fuhren auf einem Hö-
henzug entlang. Nun sah Malenfant zum ersten Mal seit der Landung wieder das Meer. Das war die kalifornische Pazifik-Küste, et-wa hundert Meilen nördlich von Los Angeles. Der Ozean war eine wogende graue Masse mit einer donnernden Brandung. Das Gelän-148
de war hügelig mit Senken und Tälern entlang der Wasserlinie und niedrigen Bergen im Hintergrund.
Es war ein schöner Anblick. Das war natürlich nicht Big Sur, aber viel schöner als Canaveral.
Der Rote Mond hing am Himmel über dem Meer. Die öde Wüs-tenseite war der Erde zugewandt, und das Wasser leuchtete im Widerschein des tiefroten Himmelskörpers blutrot und unnatürlich.
Auch diese Küstenlinie war nicht von der Flut verschont worden; Küstenstädte wie Surf waren weitgehend vernichtet worden.
Die ein paar Meilen landeinwärts gelegene Air & Space Force-Basis war aber nicht davon betroffen. Canaveral an Floridas Atlantikküs-te war indes schwer getroffen worden. Deshalb hatte man Vandenberg als Standort für den Bau der Starteinrichtungen für Malenfants unglaubliche Mission ausgewählt.
Das Fahrzeug kam zum Stehen. Sie befanden sich hier in den Ausläufern der Casmalia Hills. Von dieser erhöhten Warte sah Malenfant einen mit Betontupfern übersäten Landstrich, die durch Straßen miteinander verbunden waren: Startrampen, von denen viele außer Dienst gestellt waren.
Dahinter machte er große weiße Gebäude aus. Das war die Shuttle-Anlage, das Relikt der hochfliegenden Pläne von Piloten im All, die die Luftwaffe in den 1970ern geträumt hatte. Die Startrampe selbst sah so aus wie die Pendants an der Atlantikküste: Ei-ne schlanke Betriebs-Struktur über einer riesigen Flammgrube mit klaffenden Öffnungen, um den Rauch und das Feuer beim Start wegzulenken. Der Startturm wurde von zwei großen weißen Gebil-den flankiert, an denen die USASF-und NASA-Logos prangten.
Die Schutzeinrichtungen liefen auf Schienen und konnten zusammengeführt werden, um den Turm zu schützen.
Dieser Ort hatte keine Ähnlichkeit mit Canaveral. Er glich eher einer Baustelle. Anhänger waren in der Wüste verstreut, wobei aus manchen Antennen und Telekommunikationsleitungen sprossen.
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Es gab keine Brennstofftanks, sondern Flotten von Tankwagen, deren Hüllen mit glitzerndem Reif überzogen waren. Ingenieure, hauptsächlich junge Leute, wuselten umher. Ihre Stimmen verhallten in der weiten Wüste, und die Helme glitzerten wie Insekten-panzer. Es lag eine Aura der Improvisation, Neuerung und Hektik über dieser Startrampe, die zu neuem Leben erweckt wurde, nachdem sie für über zwei Jahrzehnte im Dornröschenschlaf gelegen hatte.
»Das ist seit 1958 ein wichtiges Startzentrum«, sagte Paulis mit so stolzer Stimme, als hätte er die Anlage selbst errichtet. »Viele Polar-Starts. Ein guter Standort unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit: Die nächste Landmasse, auf die man südlich von hier trifft, ist die Antarktis … Slick-six – 'tschuldigung, SLC-6 – ist die südlichste Starteinrichtung. Sie wurde in den 1960ern gebaut, um eine Weltraumspionage-Station für die Luftwaffe zu starten.
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