Das Multiversum 3 Ursprung
noch mehr Schläge und Tritte einstecken, und die Leute taten zähne-fletschend ihren Abscheu kund. Schatten blieb einfach dort liegen, wohin der Tritt vom kleinen Boss sie befördert hatte.
Aber die Männer schlugen heute nicht so fest zu wie sonst. Sie sparten die Kräfte für die Kämpfe untereinander. Viele ergingen sich in Drohgebärden und knufften sich halbherzig. Die ›Soziody-namik‹ der Männer nahm eine neue Wendung.
Dann hörten die Tritte und Schläge auf. Die Leute gingen davon, und die schlurfenden Schritte verhallten. Schatten war allein.
Sie löste sich in einen Nebel aus rotem Schmerz auf.
Sie definierte sich nur über die Beziehung zu anderen Leuten: Nicht durch den Ort, an dem sie lebte, auch nicht durch die Fä-
higkeiten, die sie hatte. Unbeachtet hätte sie ebenso gut tot sein können.
Nun ging jemand vor ihr in die Hocke. Sie roch eine vertraute Wärme. Sie drehte mühsam den Kopf; der Hals war steif. Es war Termite, ihre Mutter. Hinter ihr spielte die kleine Tolpatsch mit einer Eidechse, die sie erspäht hatte. Sie jagte sie, packte sie am Schwanz und warf sie weg.
Die große und starke Termite betrachtete ihre Tochter. Das Gesicht war eine Grimasse des Abscheus. Aber sie betastete die Kratzer an Schattens Beinen, tauchte die Finger ins Blut, das um Schattens Vagina geronnen war, und leckte sie ab. Dann inspizierte sie die hässliche Handverletzung, die von Fliegenmaden wimmelte.
Termite reinigte sorgfältig die Wundränder. Sie zog die Maden heraus, drückte Eiter aus und leckte die Wundränder sauber. Dann suchte sie eine Handvoll dicker dunkelgrüner Blätter zusammen.
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Sie zerkaute sie zu einer eklig stinkenden grünen Masse, spie sie aus und verrieb sie auf der Wunde.
Es brannte wie Feuer. Schatten quiekte und zog die Hand zu-rück. Aber ihre Mutter war stark. Termite packte die Hand und setzte die Behandlung fort, obwohl Schatten sich heftig sträubte.
Tolpatsch hielt sich auf Distanz. Sie näherte sich ihrer Mutter, schaute auf Schatten, rümpfte das Näschen und zog sich zurück.
Dann hatte sie den Geruch vergessen und näherte sich wieder. Sie verharrte ein paar Schritte entfernt, wobei Neugier und Ekel sich die Waage hielten.
Später schob Termite die starken Arme unter Schattens Achselhöhlen, stellte sie auf die Füße und zog sie in den Schatten einer starken hohen Palme. Sie brachte ihr Nahrung: Feigen, Blätter und Schösslinge. Schatten wollte sich abwenden. Termite packte ihren Kiefer und drückte auf die Gelenke, bis Schatten den Mund auf-machte. Sie presste Schatten die Nahrung zwischen die Lippen und klappte den Kiefer zu, bis Schatten kaute und schluckte.
Schatten übergab sich.
Termite fütterte sie weiter.
Als die Rufe der Heimkehrer wieder durch den Wald hallten, behielt Schatten den größten Teil dessen, was sie schluckte, bei sich.
Die Leute kehrten zurück. Die Erwachsenen hatten Steine und Nahrung dabei. Ein paar Männer hatten Fleisch.
Aber es herrschte Unruhe. Der Dicke und der kleine Boss lagen sich in den Haaren und traktierten sich gegenseitig mit Schlägen.
Der Dicke griff nach einem blutigen Tierbein, das der kleine Boss trug und wollte es ihm entreißen. Der kleine Boss verpasste ihm einen Nasenstüber, der den Dicken zu Boden schickte, und dann biss der kleine Boss herzhaft ins Fleisch, um seinen Besitzan-spruch zu demonstrieren.
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Als die Frauen die Nester bauten, kletterte Tolpatsch die Beine ihrer Mutter hinauf und klammerte sich an Kopf und Schultern fest.
Wieder versuchte Termite, Schatten aufrecht hinzustellen, aber Schatten fiel rücklings auf den Boden. Also bückte Termite sich und warf sich Schatten über die Schulter. Sie richtete sich mit einem Grunzen auf, und Schattens Arme und Beine baumelten vor ihrem Rücken und Bauch.
Mit tiefen Atemzügen erklomm Termite unter der Last ihrer kleinen und der fast schon erwachsenen Tochter eine Palme.
Schattens Kopf baumelte vor Termites Rücken. Sie sah Termites Beine und Rumpf mit den starken Muskelsträngen wie einen dunklen Berg vor sich. Mit jedem Ruck spürte Schatten, wie die Eingeweide sich verkrampften, und hellroter Schmerz durchflutete sie. Tolpatsch versetzte ihr mit den kleinen Händen schmerzhafte Schläge auf den ungeschützten Hintern.
Hoch in der Palme legte Termite Schatten in einer Astgabel ab.
Schwitzend und keuchend baute Termite aus Ästen ein Nest.
Dann packte sie Schatten unter den Achselhöhlen und zog sie ins Nest.
Termite legte sich neben ihrer
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