Das Musical
sagte nichts.
Rex ließ den Blick durch den Raum schweifen. Tantchen Normas Leichnam war nirgends zu sehen. Onkel Tony war davongespült worden.
Elvis nahm die Fernbedienung zur Hand und warf sie Rex zu. »Viva la Revolution«, sagte er ein wenig zu fröhlich für Rex’ Geschmack.
Rex ließ sich unbehaglich im Sessel seiner Tante nieder und betätigte den Einschaltknopf. Der Fernseher erwachte zum Leben. Er knisterte und knackte, und dann erschien das Gesicht von Elvis Presley.
»Und das«, sagte die Stimme Gloria Mundis, »ist das Gesicht des Devianti-Terroristen, der vor kaum acht Stunden unseren geliebten Dalai Lama gekidnappt hat.«
»Die gute alte Gloria.« Dans Gesicht hellte sich auf. »Loyal bis zum Schluß.«
»Seine Forderungen lauten wie folgt«, fuhr Gloria fort. »Wir sollen sämtliche TV-Sender abschalten, jegliche Nahrungsmittel- und Medico-Verteilung an die Bevölkerung einstellen und eine vierundzwanzigstündige Ausgangssperre verhängen.«
»Was?« Elvis riß wütend die Augen auf. »Das habe ich niemals…!«
»Wir haben die Devianti-Terroristen vermittels Radar bis zu ihrem Unterschlupf verfolgen können. Wir wissen, daß sie sich im Besitz eines Prä-NHE-Atomsprengkopfs befinden, den sie zünden werden, falls wir ihre Forderungen nicht innerhalb einer Stunde erfüllen.«
»Was? Was???« Elvis’ Unterlippe verwandelte sich in ein mittelgroßes Bidet. »Was werden wir?«
Eine Hand kam in den Aufnahmebereich der Kamera und reichte Gloria ein Blatt Papier. Sie tat, als würde sie die Meldung darauf überfliegen. »Ah«, sagte sie schließlich und lächelte. »Wir haben soeben eine telepathische Nachricht vom Dalai Lama erhalten. Sie lautet: ›Fürchten Sie sich nicht um meine Sicherheit. Verweigern Sie sämtliche Forderungen der Terroristen. Ich werde Sie alle in meiner nächsten Inkarnation wiedersehen. Ach so, ich möchte, daß Gloria Mundi, meine loyale Stellvertreterin, meine Verantwortlichkeiten übernimmt, bis ich zu meinen Anhängern zurückgekehrt bin.‹ Damit endet die Nachricht.«
Dan öffnete und schloß den Mund, doch kein Wort kam heraus.
Elvis vollführte ganz ähnliche vokale Perambulationen. Rex fragte sich, ob sie vielleicht für irgendeinen Song übten.
»Die Detonation wird exklusiv auf diesem Kanal und live ausgestrahlt, also bleiben Sie dran. Einstweilen setzen wir unser Programm mit einer stillen Meditation fort. Om-mani-padme-hum .«
Rex drückte auf den Knopf der Fernbedienung. Der Bildschirm wurde dunkel. Rex brach in schallendes Gelächter aus. »Sie wollen uns tatsächlich in die Luft jagen!« ächzte er, wenn er gerade Luft bekam. »Sie werden eine Rakete auf uns abschießen.« Er warf einen flüchtigen Blick auf den Dalai Dan. »Genau wie beim letzten Mal.« Dann lachte er weiter, bis er keine Luft mehr bekam und ihm die Tränen über die Wangen liefen.
»Nein!« kreischte Dan. »Das kann nicht sein! Das ist alles ganz falsch!«
Elvis blickte ihn warnend an. »Halt die Schnauze!« befahl er.
»Aber sie werden uns umbringen! Sie werden mich umbringen!«
»Das ist doch kein Problem für dich, oder?« Rex wischte sich die Tränen von den ungewaschenen Wangen. »Geradewegs in die nächste Inkarnation, wie?«
»So einfach ist das auch wieder nicht.«
»Einfach?« Rex umklammerte seinen Bauch. Er drohte in Hysterie zu fallen.
»Halt die Klappe, Freund«, sagte Elvis.
Rex biß sich auf die Unterlippe und bemühte sich, wieder ernst zu werden. »Was für eine Zeitverschwendung«, sagte er schließlich.
»Ich bin perplex«, sagte Elvis Presley.
»Wir haben Gloria völlig vergessen, Chef«, kam eine leise vegetarische Stimme aus seinem Hinterkopf. »Ich kann das überhaupt nicht verstehen. Ich dachte, die Sache wäre wasserdicht.«
»Wir werden alle sterben«, stöhnte Dan. »Wir sind zum Untergang verurteilt. Wir werden sterben.«
»Ja, das werden wir«, stimmte Rex ihm zu. »Du machst dir ganz schön in die Hosen, wenn es um deinen eigenen Hintern geht, wie?«
»Es ist noch nicht zu spät! Wir könnten zurück zum Nemesis-Bunker fliegen, und ich… nun ja, wenn ich erst wieder dort wäre, könnte ich…« Die beiden Männer starrten ihn an. Beide schüttelten den Kopf.
»Das heißt also nein?«
»Das heißt es«, sagte Elvis.
Dan blickte zu Rex. »Mein lieber Freund. Mein Sohn. Ich flehe Sie an.«
Rex verbiß sich eine böse Antwort.
Dan fuhr fort, doch auf telepathischem Weg. Kommen Sie, Rex. Das alles ist ein riesengroßes Mißverständnis.
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