Das muss Liebe sein
einmal im Jahr, und er dauerte auch nur ein paar Stunden an. Falls der Putzwahn sie außer Haus befiel, mussten ihre Schränke ein volles Jahr warten.
Sie gab Spülmittel mit Zitrusduft ins Spülbecken und ließ warmes Wasser einlaufen. Sobald sie den Stroganoff-Topf gereinigt hatte, würde sie sich aufraffen und Ordnung in die Schränke bringen, damit ihr Sieb nicht noch einmal einem Gast auf den Fuß fiel, wie es Joe zugestoßen war.
Gerade als sie ein paar gelbe Gummihandschuhe überstreifte, klingelte das Telefon. Beim dritten Klingeln hob sie ab, und die Stimme ihrer Mutter klang an ihr Ohr.
»Wie geht's Beezer?«, begann Claire Breedlove ohne ein Wort der Begrüßung.
Gabrielle warf einen Blick auf das große Fellknäuel, das auf der Fußmatte vor der Hintertür offenbar ins Koma gesunken war. »Streckt alle viere von sich vor Glückseligkeit.«
»Schön. Hat sie sich gut benommen?«
»Sie hat vorwiegend gefressen und geschlafen«, antwortete Gabrielle. »Wo bist du? Hier in der Stadt?«
»Yolanda und ich sind bei deinem Großvater. Morgen früh fahren wir nach Boise.«
Gabrielle klemmte sich den Hörer zwischen Schulter und Ohr und fragte: »Wie war's in Cancun?«
»Oh, ganz gut, aber ich muss dir erzählen, was passiert ist. Deine Tante und ich mussten die Reise abbrechen, weil ich von einer anhaltenden Vorahnung geplagt wurde. Ich wusste, dass jemandem hier in der Gegend eine schreckliche Tragödie droht. Ich habe gespürt, dass dein Großvater damit zu tun hat, deshalb bin ich heimgeflogen, um alle Betroffenen zu warnen.«
Gabrielle konzentrierte sich auf die Teller im Spülbassin. Ihr Leben befand sich ohnehin schon in einem Zustand kosmischen Aufruhrs, und sie hatte nun weiß Gott keine Lust, sich die Vorahnungen ihrer Mutter anzuhören. »Was ist passiert?«, fragte sie, obwohl sie wusste, dass ihre Mutter es ihr sowieso erzählen würde.
»Vor drei Tagen, als deine Tante Yolanda und ich noch in Mexiko waren, hat dein Großvater Mrs. Youngermans Pudel überfahren.«
Gabrielle wäre um ein Haar der Hörer heruntergefallen und sie ergriff ihn mit ihrer seifigen Hand. »O nein! Doch nicht den kleinen Murray?«
»Doch, genau den. Hat ihn platt gemacht wie einen Pfannkuchen. Seine Seele ins Pudelparadies geschickt. Das arme Ding! Ich bin nicht wirklich überzeugt, dass es ein Unfall war, und Mrs. Youngerman mag auch nicht daran glauben. Du weißt ja, wie dein Großvater zu Murray stand.«
Ja, Gabrielle wusste, wie ihr Großvater zum Hund der Nachbarn stand. Der kleine Murray hatte nicht nur unablässig gebellt, sondern ebenso unablässig nach jeder Wade geschnappt. Gabrielle mochte nicht glauben, dass ihr Großvater so weit gegangen war, den Hund absichtlich zu überfahren, aber angesichts der Tatsache, dass Murray mehr als einmal die Gelegenheit wahrgenommen hatte, die Waden ihres Großvaters mit seiner glühenden Aufmerksamkeit zu bedenken, konnte sie die Möglichkeit nicht ausschließen.
»Das ist noch nicht alles. Heute Nachmittag haben Yolanda und ich einen Beileidsbesuch abgestattet, und als ich in Mrs. Youngermans Wohnzimmer saß und versuchte, sie zu beruhigen, spürte ich, wie es hinter meiner Stirn ganz leer wurde. Gabrielle, ich sage dir, es war die stärkste hellseherische Vision, die ich je hatte. Ich habe alles ganz deutlich vor mir gesehen. Die dunklen Locken über seinen Ohren. Er ist ein großer Mann …«
»Groß, dunkel, gut aussehend, wie?« Erneut klemmte sie den Hörer zwischen Schulter und Ohr und fuhr fort, die Teller zu bearbeiten.
»O ja. Du glaubst ja nicht, wie aufgeregt ich war.«
»Doch, ich kann's mir vorstellen«, brummte Gabrielle. Sie spülte die Teller unter klarem Wasser ab und stellte sie in den Abtropfer.
»Aber er ist nicht für mich bestimmt.«
»So ein Pech. Gehört er Tante Yolanda?«
»Er ist dein Schicksal. Du wirst eine leidenschaftliche Romanze mit dem Mann in meiner Vision erleben.«
»Ich will keine Romanze, Mutter.« Gabrielle seufzte und versenkte die Salatschüsseln und Teegläser im Bassin. »In meinem Leben ist zurzeit kein Platz für derartige Aufregung.« Sie fragte sich, wie viele Mütter ihren Töchtern leidenschaftliche Liebhaber voraussagten. Wahrscheinlich nicht sehr viele, vermutete sie.
»Du weißt, dass du das Schicksal nicht abwenden kannst, Gabrielle«, schimpfte die Stimme am anderen Ende der Leitung. »Du kannst dich auch zur Wehr setzen, aber das Ergebnis wird dadurch doch nicht beeinflusst. Ich weiß wohl, dass du
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