Das muss Liebe sein
Gästezimmer über das Schachspiel aus Elfenbein bis zu den Spiegeln im Schlafzimmer. Er hatte geglaubt, Kevin zu diesem Zeitpunkt längst in Untersuchungshaft genommen zu haben, und war jetzt maßlos enttäuscht. »Ja, Pech, dass wir's nicht schon heute erledigen können.«
»Genau das ist dein Problem, Shanahan, du bist zu ungeduldig.« Captain Luchetti warf einen Blick auf seine Uhr und legte die eidesstattliche Erklärung auf Joes Schreibtisch. »Immer willst du alles in einer Stunde fertig haben, wie in diesen seichten Krimis im Fernseher.«
Joes Problem war keineswegs seine Ungeduld. Nun ja, ein bisschen vielleicht auch, aber er hatte Gründe dafür, dass er den Fall so schnell wie möglich abschließen wollte, und die hatten nichts mit Ungeduld zu tun, wohl aber sehr viel mit seiner rothaarigen Informantin.
Der Captain schlüpfte in seine Anzugjacke und rückte seine Krawatte zurecht. »Du hast gute Arbeit geleistet. Wir kriegen den Gerichtsbescheid, dass wir Carters Privattelefon anzapfen dürfen, und wir kriegen unseren Durchsuchungsbefehl. Wir kriegen Carter«, sagte er und ging aus dem Raum. Ganz gleich, wo er sich aufhielt oder was er gerade tat, Vince Luchetti versäumte nie die Sonntagsmesse. Joe fragte sich manchmal, wen der Captain mehr fürchtete, Gott oder Sonja, seine Frau.
Er streckte die Arme über den Kopf und warf einen Blick auf die eidesstattliche Erklärung. Er hatte sorgfältigst auf die Formulierungen geachtet, als er das Dokument verfasste, denn er wusste aus langjähriger Erfahrung, dass Verteidiger mit Vorliebe auf vage oder unzureichende Schilderungen ansprangen und jeden Vorwand nutzten, um Widersprüche geltend zu machen. Doch trotz aller Mühe glaubte er nicht an einen Erfolg. O ja, er würde seinen Durchsuchungsbefehl bekommen; für einen Richter lagen ausreichend plausible Gründe zur Erteilung eines solchen vor, aber Walker und Luchetti wollten noch warten. Da Joe am Vorabend den Monet nicht gefunden hatte, glaubten sie nicht daran, dass sie das Gemälde bei einer Hausdurchsuchung aufspüren würden oder dass Kevin den Namen des Sammlers preisgeben würde, der nach Meinung der Polizei den Diebstahl veranlasst hatte.
Also würde der Durchsuchungsbefehl zu den Akten gelegt werden. Jetzt hatten sie massive Beweise dafür, dass Kevin sich der Hehlerei mit gestohlenen Antiquitäten schuldig gemacht hatte, doch Joes Arbeit vom Vorabend würde nicht zu einer Verhaftung führen. Er hatte ein Schulterklopfen und einen warmen Händedruck dafür bekommen. Doch Joe wollte mehr. Er wollte Kevin in einem Vernehmungszimmer sitzen sehen.
»Hey, Shannie.« Winston Densley, der einzige schwarze Beamte im Raubdezernat und einer von den drei Beamten, die zu Kevins Beschattung abgestellt waren, zog sich einen Stuhl an Joes Schreibtisch heran. »Erzähl mal von diesen Spiegeln in Carters Schlafzimmer.«
Joe lachte leise und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das Zimmer ist rundum mit Spiegeln ausgestattet, und er kann sich selbst aus jedem Blickwinkel in Aktion betrachten.«
»Ziemlich pervers, wie?«
»Ja.« Und Joe hatte in diesem perversen Spiegelzimmer gestanden und Gabrielle Breedlove in ihrem hässlichen, sackförmigen Trägerrock aus sämtlichen Blickwinkeln und Perspektiven betrachtet. Er hatte sich vorgestellt, wie sie aussehen würde, wenn sie nichts außer einem durchsichtigen BH und dem dazu passenden Slip am Leibe gehabt hätte. Oder noch lieber einen Spitzentanga, damit er ihre nackten Pobacken in den Händen halten konnte.
Während sie noch über den Verschleiß von Glasreiniger nachdachte, hatte er überlegt, wie sie aussehen würde, wenn sie von der Taille aufwärts nackt wäre. Darüber brauchte er nun nicht mehr zu spekulieren. Er wusste, dass ihre Brüste größer waren, als er vermutet hatte, und dass sie perfekt in seine großen Hände hineinpassten. Er kannte die zarte Beschaffenheit ihrer Haut. Und er kannte noch einiges mehr, zum Beispiel ihr lustvolles Stöhnen und den Sog ihrer verführerischen grünen Augen. Er kannte den Duft ihres Haars, den Geschmack ihres Mundes, und er wusste, dass die Berührung ihrer zärtlichen Hände ihn so erregten, dass er kaum noch denken und atmen konnte.
Und er wusste mit absoluter Sicherheit, dass es entschieden besser für ihn wäre, wenn er all dies nicht gekannt hätte. Joe seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ich will diesen Fall endlich abschließen.«
»So ein Fall braucht nun mal seine Zeit. Warum hast
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