Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
wieder dieses wundervolle Lächeln.
„Mein Name ist Conrad“, erwiderte er schwach. „Conrad von
der Lühe“, präzisierte er nach kurzem Nachdenken. „Wo bin ich hier?“
„Zunächst einmal in Sicherheit“, antwortete die alte Frau
aus dem Hintergrund.
Conrad hatte keine Ahnung, wer ihn in diese Lage gebracht
hatte. Davon abgesehen verspürte er auch nicht die geringste Lust, darüber
nachzugrübeln. Er genoss einfach den Augenblick. Endlich ließen die Schmerzen
nach und zudem saß diese schwarzhaarige Schönheit an seinem Lager und lächelte
ihn an. Was konnte er sich mehr wünschen?
„Ihr seid in Schwaben, Herr, bei Herbishofen, unweit von
Memmingen“, erklärte das Mädchen.
Verständnislos schaute Conrad sie an. „Schwaben“,
wiederholte er ungläubig.
Die beiden Frauen nickten.
„Ihr habt einen Schlag auf den Kopf bekommen, Herr. Deshalb
könnt Ihr Euch vielleicht nicht mehr an alles erinnern. Aber das Gedächtnis
wird mit der Zeit zurückkehren“, erklärte die Alte bestimmt. Dann schlurfte sie
zum Herd.
„Der Gesang vorhin, was war das für eine Sprache?“, fragte
er das Mädchen, das an seinem Lager geblieben war.
Er hätte sich nicht gewundert, wenn sie ihm gesagt hätte, es
wäre die Sprache der Feen.
Stattdessen zog sie die Schultern hoch. „Ich weiß es nicht,
Herr. Es ist einfach in meinem Kopf.“
„Du weißt nicht, was du singst?“
„Nein. Aber die Worte sind nicht wichtig. Wenn ich traurig
bin, gibt das Lied mir Trost und wenn ich schwach bin, gibt es mir Kraft.“
Conrad sann darüber nach. „Es ist eine magische Weise“,
sagte er überzeugt. Seine Stimme krächzte noch immer.
Das Mädchen zeigte ihm wieder ihr wunderschönes Lächeln, gab
ihm noch etwas zu Trinken und ermahnte ihn, sich jetzt ein wenig auszuruhen.
Kaum hatte er die Augen geschlossen, als er auch schon
eingeschlafen war. Er schlief tief und fest, aber diesmal quälten ihn keine
Alpträume.
*
Als Conrad wieder etwas klarer denken konnte, wurde ihm erst
bewusst, wie glücklich er sich schätzen konnte, ausgerechnet an diese offenbar
heilkundigen Frauen geraten zu sein. Andernfalls wäre er seinen Verletzungen
erlegen.
Ganz vorsichtig versuchte er, zunächst die Finger und Hände,
dann die Zehen und Füße, schließlich die Arme und Beine zu bewegen. Zwar konnte
er das nur unter Schmerzen, aber er hatte keine Lähmungserscheinungen. Das beruhigte
ihn ungemein.
Er spürte, dass seine Rippen bandagiert waren und sein
rechtes Bein war dick verbunden. Außerdem hatte er einen Verband um die Hüfte
und einen Kopfverband. Am meisten schmerzte die Stichwunde in der Seite.
Er konnte sich noch immer nicht erinnern, wo er sich die
Verletzungen zugezogen haben könnte. Was war geschehen? Wie war er hierher
gelangt?
Der junge Ritter versuchte, sich zu orientieren. Er lag auf
einer Bettstatt, bestehend aus einem Holzrahmen und einem Strohsack, der mit
einem Leinentuch bezogen war. Auf der rechten Seite wurde sein Blickfeld durch
einen Vorhang begrenzt. Über ihm befanden sich rußgeschwärzte Balken. Links sah
er ein kleines Fenster, eher ein Loch, das man bei Bedarf mit einem hölzernen
Fensterladen schließen konnte. Als er leicht den Kopf hob, konnte er einen
steinernen Herd erkennen, über dem ein großer Kessel hing. Das Herdfeuer glomm
vor sich hin und verbreitete angenehme Wärme im Raum.
Da er sich nicht ohne Hilfe aufsetzen konnte, ergab er sich
in sein Schicksal und grübelte darüber nach, was wohl geschehen war. Aber es
war, als hätte sich eine dicke, undurchdringliche Wolke vor seine Erinnerungen
geschoben.
Seine Grübeleien wurden von der Rückkehr der beiden Frauen
unterbrochen. Die Alte trat in die Hütte, gefolgt von ihrer Enkelin Line, die
ihre fast bis zur Hüfte reichenden Haare offen trug. Ihr Anblick verschlug ihm
den Atem.
Sie stellten ihre Körbe ab, die mit den verschiedensten
Kräutern gefüllt waren. Fasziniert beobachtete Conrad die fließenden,
anmutigen Bewegungen des schwarzhaarigen Mädchens, als Line das Herdfeuer
entfachte und einen großen Kessel darüber hängte, in den sie Wasser füllte und
aus einem Leinensack Körner hinzufügte.
Dann schnitten die Frauen Kohl und anderes Gemüse, warfen alles
in den Kessel und taten noch diverse Kräuter hinzu. Bald schon verbreitete sich
ein verführerischer Duft, der ihm das Wasser im Munde zusammen laufen ließ.
Die beiden Frauen unterhielten sich nur leise, um
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