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Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Rolfs
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wesentlich geschäftiger zu, denn hier
befanden sich neben dem Kornspeicher auch eine klostereigene Schäferei und
sogar eine kleine Schmiede, der Gästetrakt und schließlich das für die
Öffentlichkeit zugängliche Spital.
    Da Line bei der Krankenpflege half, konnte sie die Klausur
mit Erlaubnis der Äbtissin verlassen. Heute am Sonntag war sie zwar von ihren
Pflichten befreit, aber sie hatte sich trotzdem die Freiheit genommen.
Natürlich war sie nicht durch die Klosterpforte gegangen, denn die Pförtnerin
hätte sie ganz sicher ohne triftigen Grund nicht hinaus gelassen.
    Vor einiger Zeit hatte sie im Kräutergarten hinter Büschen
eine fast zugewachsene kleine Tür in der Mauer entdeckt, durch die man in den
äußeren Bereich gelangen konnte. Der Riegel war völlig verrostet und es war ihr
nur mit einiger Mühe gelungen, ihn zu lösen, als sie das Türchen das erste Mal
öffnete. Seitdem nutzte sie ihre Geheimtür immer wieder, wenn sie die
Klausur heimlich verlassen wollte.
    Das Mädchen schaute auf die vertrauten Gebäude des Klosters,
das seit vielen Jahren ihr Zuhause war. Dieses war die Welt, in der sie lebte,
solange sie denken konnte. An die Zeit davor erinnerte sie sich nicht mehr.
    Dennoch fühlte sie, dass sie nicht hierher gehörte. Die
unbekannte Welt außerhalb der Klostermauern weckte ihre Neugierde, aber sie
machte ihr auch Angst. Sie wusste nicht, was sie dort erwartete. 
    Während Line noch ihren Gedanken nachhing, bemerkte sie
plötzlich eine sanfte Berührung an ihrer Hand. Sie schaute hinunter.
    „Flecki“, rief sie voll freudiger Überraschung. „Da bist du
ja wieder.“ Der gefleckte, struppige Kater leckte ihr vertrauensvoll die Hand
und schnurrte leise.
    Das Schnurren verstärkte sich noch, als das Mädchen ihn auf
den Arm nahm und ihn sanft streichelte. Dabei erzählte sie ihrem kleinen Freund
von dem gelungenen Streich, den sie Schwester Urte gespielt hatte. Der Kater
war nicht nur ihr Spielgefährte, sondern auch ein verschwiegener
Geheimnisträger, dem sie alles anvertrauen konnte.
    Mit ihm schmiedete Line die wildesten Zukunftspläne. Der
Kater hörte ihr geduldig zu, gab ab und zu einen keckernden Kommentar dazu,
kuschelte sich auf ihrem Schoß ein und schnurrte zufrieden. Für ihn war die
Welt in Ordnung.
    Line erinnerte sich an die letzten Worte Irmhildes und
wieder schossen ihr die Tränen in die Augen.
    „Ich weiß, das Kloster ist nicht deine Berufung“, hatte die
alte Nonne mit flachem Atem geflüstert. Line war ganz dicht an sie
herangetreten und musste sich zu ihr herunterbeugen, um sie verstehen zu
können. „Eines Tages wirst du das Kloster für immer verlassen.“ Ein Weile war
nur der rasselnde Atem der alten Frau zu hören gewesen, bevor sie weiter
sprach: „Wenn die Zeit gekommen ist, gehe zur alten Grete, sie ist eine gute
Freundin.“
    Mit zitternden Händen hatte Line die faltige Hand gehalten,
während sie den leisen Worten der alten Nonne lauschte.
    „In Memmingen wirst du sie finden. Frage in der Apotheke am
Markt nach ihr“, hatte Irmhilde eindringlich geflüstert. „Grete…Memmingen…“,
das waren Irmhildes letzte Worte gewesen, die sie wisperte, bevor sie die Augen
für immer schloss und mit einem letzten tiefen Atemzug ihre letzte Reise
antrat.
    Nur ihrem Kater Flecki verriet Line ihren geheimen Plan, von
dem niemand etwas ahnte. In der Nacht auf dem kalten Steinfußboden in der
Kirche hatte sie im Angesicht der Mutter Maria einen Entschluss gefasst.
    Erst als die Glocken zur Vesper riefen, lief Line zum
Kloster zurück, schlüpfte durch das kleine Tor in den Kräutergarten, durchmaß
ihn rennend und betrat den Klostergang, wo sie sich mit gesenktem Kopf und
gemessenen Schrittes in die Gruppe der Schwestern einreihte, die zur
Klosterkirche strebten und kaum Notiz von ihr nahmen. Das war gut so, denn
sonst wären ihnen die Schmutz- und Grasflecken auf Lines Kleidern aufgefallen.
    Ab jetzt wurde Line zu einem braven, folgsamen jungen
Mädchen. Sie ging zur Priorin und bat darum, in der Kleiderkammer helfen zu
dürfen, um Unterhemden, Tuniken, Mäntel und Strümpfe der Nonnen und Novizinnen
zu flicken oder zu ändern. Ita erlaubte es ihr großzügig, erfreut über den
Eifer des Mädchens.
    Als die Äbtissin erfuhr, wie geschickt und fleißig Line in
der Kleiderkammer arbeitete, atmete sie erleichtert auf. Endlich trug ihre
strenge Erziehung Früchte, das Mädchen versuchte sich nützlich zu machen, statt
ihre freie Zeit in der Bibliothek beim

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