Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
schienen Funken zu sprühen.
Selbst Conrad lief bei ihrem Anblick ein kalter Schauer über
den Rücken. So hatte er sie noch nie gesehen.
Aus Arnulfs Gesicht war jede Farbe gewichen. Er starrte das
Mädchen an, als würde er den Leibhaftigen persönlich sehen.
„Noch vor Ablauf des Jahres werdet Ihr elendig verrecken!
Und mit Euch alle Eure Getreuen“, sprach Line mit unheilvoller Stimme weiter.
„Das verspreche ich Euch, so wahr ich eine Hexe bin!“
In diesem Moment fuhr ein Windstoss in ihr Haar und ließ es
um ihr Gesicht flattern.
Die Waffenknechte wichen entsetzt zurück und bekreuzigten
sich unwillkürlich. Viele machten das Zeichen gegen den bösen Blick. Der
Aberglaube war in diesen Landstrichen tief verwurzelt. Man fürchtete sich vor
schwarzer Magie, Zauberern, Hexen und Dämonen.
Den Moment der Schreckensstarre nutzte Line, trat ihrem Tier
in die Seiten und galoppierte los. Mit ihren gebundenen Händen konnte sie sich
nicht richtig festhalten, aber sie beugte sich weit über den Hals des Pferdes
und klammerte sich mit den Beinen an den Rumpf des Maultiers.
Einen Augenblick waren alle wie erstarrt.
Dann brüllte Arnulf: „Haltet die Hexe. Bringt sie zurück,
aber lebend!“
Vier Waffenknechte galoppierten hinter dem Mädchen her.
Conrad wollte die Schrecksekunde ebenfalls zur Flucht
nutzen, aber Rupert war auf der Hut. Er riss ihn zu Boden und die Waffenknechte
fesselten ihn noch mehr, so dass er sich wie ein Insekt fühlte, das einer
Spinne ins Netz gegangen war. Jetzt konnte er nur noch hoffen, Line würde das
Lager erreichen und Hilfe holen.
Allerdings war das nicht sehr wahrscheinlich, denn sie
kannte sich hier nicht aus und war durch die Fesseln ziemlich eingeschränkt.
Sie musste sich jetzt auf den Fluchtinstinkt ihres Tieres verlassen. Ihr
einziger Vorteil war ihr gegenüber den Waffenknechten geringeres Gewicht.
Conrad betete inständig, ihre Verfolger würden sie nicht
einholen.
Arnulf hatte sich wieder gefasst. „Ganz schön
temperamentvoll, deine kleine Metze“, bemerkte er. Aber seine Stimme zitterte.
Wahrscheinlich war er abergläubisch genug, den Fluch nicht auf die leichte
Schulter zu nehmen.
Conrad bestärkte ihn darin, indem er wie nebenbei erwähnte:
„Man sagte mir in ihrem Dorf, sie verfluche selten einen Menschen, aber wenn,
dann träfe der Fluch auch ein. Ich möchte nicht in deiner Haut stecken.“
„Auf jeden Fall wirst du vor mir sterben. Rupert wird dich
nicht noch einmal entkommen lassen“, entgegnete Arnulf.
Es sollte kaltschnäuzig klingen, was ihm aber nicht ganz
gelang.
„Ich werde dieser Hexe die Fingernägel ziehen und ihr die
Haut in Streifen abziehen, bis sie den Fluch von mir nimmt!“, brüllte er
plötzlich los.
„Dazu musst du sie erst einmal kriegen, aber das wird deinen
Totschlägern nicht gelingen“, sagte Conrad scheinbar gelassen. Er gab sich
zuversichtlicher, als er war. „Sie ist eine Hexe“, sagte er mit Betonung.
„Deine tumben Männer stellen keine Bedrohung für sie dar.“
Triumphierend sah Conrad die blanke Angst in Arnulfs Augen.
Der ehrlose Ritter war tatsächlich sehr abergläubisch. Conrad konnte nur
hoffen, Arnulf bekäme Line nicht in die Finger.
„Und jetzt zu dir“, schnaufte Arnulf. Dann gab er seine
Anweisungen.
Rupert und drei Waffenknechte, darunter auch Knut, erhielten
den Auftrag, zwei Bauern oder andere arme Teufel aufzutreiben und zusammen mit
Conrad zu ermorden. Danach sollten sie Fluchtspuren der angeblichen
Wegelagerer legen, die sich aber bald im Wald verlieren würden. Nach Erledigung
des Auftrags sollten sie auf das Rittergut zurückkehren und dort die Ankunft
Arnulfs abwarten.
Conrad überlegte fieberhaft, wie er aus dieser
aussichtslosen Situation herauskommen könnte. Er machte sich selbst die heftigsten
Vorwürfe, Line durch seine Leichtsinnigkeit in Gefahr gebracht zu haben.
Natürlich war ihm klar, dass Arnulf in jedem Fall die erste
Gelegenheit genutzt hätte, ihn aus dem Weg zu räumen. Aber dann hätte er
wenigstens Line nicht behelligt.
Nun hatte sich die Chance für den Erbschleicher früher
geboten, als es sich dieser selbst hätte träumen lassen, und er wollte sie
nutzen.
„Mach es dieses Mal richtig“, schärfte Arnulf dem
froschäugigen Rupert noch einmal ein und gab das Zeichen zum Aufbruch. Er ritt
jedoch nicht direkt zum Lager, sondern in die Richtung, in der Line
verschwunden war.
„Zu schade, dass ich das Schwert schon wieder abgeben muss“,
meinte Rupert und
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