Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
seine Abneigung. Das machte ihn in
ihren Augen sympathisch, denn Arnulfs Vater hatte eine unangenehme Aura. Das
war ihr bereits bei der ersten Begegnung aufgefallen.
Noch unangenehmer war ihr allerdings sein Sohn, ohne dass
sie hätte sagen können, warum. Immer wenn er sprach, kam es ihr vor, als meinte
er es nicht ehrlich und wenn er lächelte tat er es nur mit dem Mund, seine
Augen blieben eiskalt. Antonia spürte, dass ihr neuer Herr ein gefühlloser,
eiskalter Mensch war, der sein Innerstes hinter einer Maske aus gespielter
Höflichkeit verbarg.
Dann erregte ein auffallend kleines Männchen ihre
Aufmerksamkeit. Die Ritter von Uritz hatten nicht nur ein kleines Gefolge,
sondern auch ihren Medicus mitgebracht, wie an seiner schwarzen Tracht zu
erkennen war. Sein langer Mantel hüllte ihn vollständig ein und die große
Kapuze verbarg sein Gesicht. Trotzdem kam ihr irgendetwas an dem Mann merkwürdig
vertraut vor, obwohl sie ihn sicher noch nie zuvor gesehen hatte.
Das Mädchen versuchte, das Gesicht zu erkennen, aber sie
konnte nur buschige Augenbrauen und einen üppigen Bart sehen. Seine weißen
Haare quollen unter der schwarzen Kappe hervor, die er unter der Kapuze trug.
Sein leicht nach vorn geneigter Körper war klein und zierlich und seine
langsamen, etwas unbeholfenen Bewegungen sowie sein leicht humpelnder Gang
ließen auf ein hohes Alter schließen.
Solche gelehrten Männer fand man vornehmlich an den großen
Höfen von Fürsten und Grafen, kaum bei einem Landadligen. Vielleicht war er
sogar ein Abgesandter des Fürstenhofes, der Beileidsbekundungen überbringen
sollte?
Womöglich war er gar der Leibarzt des Fürsten und sollte
sich Heinrich von der Lühe ansehen? Schließlich war Conrads Vater noch immer
ein Vasall des Fürsten.
Während Antonia diese Gedanken durch den Kopf schossen,
beobachtete sie den Gelehrten weiterhin. Ihr entging nicht, dass der kleine
Mann sich interessiert umschaute. Als er wie zufällig zu ihr herüber sah,
glaubte sie einen Funken im Blick des alten Mannes aufleuchten zu sehen. Aber
er wandte sich sogleich wieder ab.
Das Mädchen zermaterte sich das Hirn. Wo hatte sie diese
Augen schon einmal gesehen? Vielleicht auf einer der Burgen, auf denen sie zu
Festlichkeiten mit ihrer Gauklertruppe aufgetreten war.
Jetzt verschwand der kleine Mann zusammen mit den Rittern im
Wohnturm. Die Begleitmannschaft schlug auf der Wiese vor dem kleinen Anwesen
ihre Zelte auf, wie auch die der bereits eingetroffenen Ritter. Das Gut glich
langsam einem Feldlager.
Es dunkelte bereits, als Antonia zum Pferdestall hinüber
ging und sich müde auf eine kleine Holzbank setzte. Wie fast jeden Abend
wartete sie auf Geronimo, der als Stallbursche arbeitete und in diesen Tagen
mehr als genug zu tun hatte. Es würde noch eine Weile dauern, bis alle Tiere
versorgt waren und ihr Bruder mit der Arbeit im Stall fertig war.
Die Bank stand unter dem weit überhängenden Dach des
Stalles, welches die Abendsonne abhielt. Dadurch war es hier schon jetzt
ziemlich dunkel. In Gedanken versunken lehnte Antonia sich an die Stallwand und
schaute über den Teil des Hofes, den sie von hier aus einsehen konnte.
„So allein, schönes Mädchen?“, klang plötzlich eine Stimme
hinter ihr.
Antonia schrak zusammen und fuhr herum. Lässig an die Wand
gelehnt stand dort Wenzel und grinste sie an wie ein Lausbube. Auch er war
einer der Stallburschen, aber trotz seiner Jugend hörten die anderen Burschen
auf ihn und er vertrat den Stallmeister, wenn dieser abwesend war.
„Wartest du auf mich?“, fragte er leichthin.
Wenzel war der Schelm unter den Knechten. Seine
kastanienfarbenen Locken, die ihm meistens wirr ins Gesicht hingen, gaben ihm
ein abenteuerliches Aussehen. Fast jede Magd schwärmte für ihn. Das wusste er
natürlich und nutzte es leidlich aus. Wenzel war ein Mensch, der gern andere
auf die Schippe nahm, ohne dabei jedoch verletzend zu werden. Aufgrund seiner
natürlichen Fröhlichkeit war er überall gern gesehen und flirtete mit jedem
weiblichen Wesen im Alter zwischen vierzehn bis vierzig Jahren. Antonia konnte
nur ahnen, wie vielen der jungen Mägde er schon das Herz gebrochen hatte.
„Was willst du?“, fragte sie leicht genervt.
„Dir die Sterne vom Himmel holen, wenn du es verlangst“,
erwiderte er mit Hundeblick.
„Das ist keine gute Idee“, gab sie zurück, „Ich habe gehört,
die Seemänner orientieren sich nach ihnen, wenn kein Land in Sicht ist. Ich
will nicht Schuld sein, wenn sie
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