Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
halb von den buschigen Brauen bedeckten Augen um. Anna stutzte plötzlich
und musterte ihn skeptisch.
„Lass uns allein“, befahl Constance vom Bett aus ihrer Zofe.
Diese knickste wortlos und ging hinaus, um sich vor der Tür zu postieren.
„Was soll denn diese Maskerade?“, fragte Constance und
setzte sich auf, „war das nötig?“
„Ja. Wir von Feinden umgeben.“ Dann kam Li Chan sofort zur
Sache: „Euer Bruder lebt, Herrin.“
„Was?“, Constance wurde jetzt wirklich schwindlig. „Was sagt
Ihr da? Was soll das?“
„Niemand darf wissen, sonst Ihr seid in Gefahr.“
Entgeistert starrte Constance den Chinesen an. Hatte er den
Verstand verloren? Dann musste sie an den Leichnam denken, der in der Kapelle
lag und die Zweifel, die sie befallen hatten. Das war nicht Conrad. Sie hatte
es gespürt, aber sie hatte es nicht zu hoffen gewagt. Ihr Bruder lag nicht dort
unten. Ihr Bruder lebte. Aber wer lag dann in der Kapelle und wer wollte, dass
sie glaubte, ihr Bruder sei tot?
Der Chinese ließ ihr Zeit, sich zu sammeln und die Nachricht
zu verdauen, die sie gerade erhalten hatte. Zu seiner Erleichterung war sie
sehr gefasst. Er hatte Schlimmeres befürchtet – einen Gefühlsausbruch
womöglich, der die Wachen herbeigerufen hätte. Aber Constance blieb äußerlich
ruhig und gefasst. Trotzdem sah er ihr an, dass ihre Gefühle in Aufruhr waren.
„Li Chan“, sagte sie gefasst, „sag bitte, was das bedeuten
soll.“ Ihre Stimme zitterte leicht.
„Ich Euch alles erklären.“
„Wo ist er?“, hauchte sie, als fürchtete sie sich davor, die
Frage laut zu stellen.
„In Sicherheit. Zusammen mit Line.“
Constance schloss kurz die Augen und atmete tief ein. Line
lebte also auch. Sie waren beide in Sicherheit. Wurde jetzt doch noch alles
gut? Aber wen hatte Li Chan mit den Feinden gemeint, die sie umgeben würden?
Eine bange Ahnung beschlich sie und ein eiserner Ring legte sich um ihr Herz.
Das konnte doch nicht sein. Oder doch?
„Erzähle“, brachte sie heraus. „Alles.“
Der Chinese rückte sich einen Schemel zurecht und setzte
sich neben ihr Bett. Dann erzählte er ihr alles, was er wusste.
Mehrmals schüttelte Constance ungläubig den Kopf. Aber tief
in ihrem Innern spürte sie, dass jedes Wort wahr war.
Arnulf, Ihr Gatte, hatte ihren Vater töten wollen und wollte
auch Conrad umbringen. Und das alles nur wegen eines angeblichen Schatzes, den
ihr Vater irgendwo versteckt haben sollte. Der einzige verschlüsselte Hinweis
auf diesen mysteriösen Schatz hatte sich auf einem Pergament befunden, welches
verbrannt worden war, damit es nicht in falsche Hände geriet.
Sie wusste, dass Arnulf eiskalt und berechnend war, aber ein
Mörder? Sie hatte ihr Leben mit einem gewissenlosen Verbrecher geteilt. Das war
ungeheuerlich. Ihre erste Reaktion war, ihren Ehegatten sofort zur Rede zu
stellen. Aber das wäre töricht gewesen.
„Arnulf muss denken, Conrad tot. Sonst er nimmt vielleicht
Euch als Geisel“, erklärte Li Chan.
„Verstehe.“ Constance war kurz davor, die Nerven zu
verlieren. Sie musste sich zusammenreißen und atmete dreimal tief durch.
„Rittergut ist in Hand von Arnulfs Männern“, sagte der
Chinese schließlich. „Deshalb Conrad nicht kann einfach herkommen. Wir brauchen
Plan. Ritter Albrecht von Uritz und sein Sohn Hannes auf unserer Seite. Aber zu
wenige.“
„Es sind noch acht Männer der Wachmannschaft meines Vaters
auf dem Hof“, sagte Constance. „Im Ernstfall halten sie ganz sicher zu mir,
auch wenn sie jetzt offiziell in Arnulfs Diensten stehen. Manfred und seine
Männer würden für Conrad und mich durchs Feuer gehen. Auch auf Anna kann ich
mich verlassen.“
„Das sehr gut. Ihr sie müsst vorbereiten. Deshalb ich bin
hier.“
„Wann wollt ihr – wann wollen wir zuschlagen?“, fragte
Constance.
Li Chan lächelte. Diese Frau gefiel ihm. Sie war nicht nur
nervenstark, sondern auch mutig und entschlossen. Genau wie Conrad, dachte er.
Kein Wunder, sie war ja auch seine Zwillingsschwester.
„Conrad wird nicht verpassen wollen seine Beerdigung. In
Kirche, mit vielen Zeugen ist bester Ort für Wahrheit“, sagte Li Chan und
lächelte diabolisch. „Aber ohne deine Waffenknechte Plan nicht wird gelingen,
Arnulf hat viel mehr Männer, mehr als drei Dutzend ich habe gezählt.“
„Ich werde dafür sorgen, dass Manfred und seine Männer den
Trauerzug begleiten. Sie könnten den Sarg tragen, das wird keinen Verdacht
erregen“, überlegte Constance laut. „Die
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