Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
riss zwei ihrer Wurfmesser heraus und rannte in die Richtung, aus
der die Schreie zu hören gewesen waren.
Aber sie kam nicht weit. Plötzlich preschte ein Reiter auf
sie zu, in einer Hand eine Fackel tragend, in der anderen sein Schwert
schwingend. Ein weiterer tauchte hinter ihm auf, eine leblose Frauengestalt in
einem reich verzierten Kleid vor sich auf dem Pferd haltend. Antonias Herz
setzte einen Schlag aus, als sie Constances Kleid erkannte.
Der erste Reiter war jetzt fast heran und Antonia erkannte
in ihm Arnulf.
„Fahr zur Hölle!“, rief sie und warf schnell hintereinander
zwei ihrer Wurfmesser. Sie hatte auf Hals und Kopf gezielt. Das erste Messer
prallte an der Kettenpanzerung ab, das zweite streifte den Nasenschutz und
verletzte Arnulf an der Stirn. Wütend schrie er auf und schlug mit dem Schwert
in ihre Richtung. Aber das Mädchen hatte sich fallen lassen und rollte sich
geschickt zur Seite, weg von den donnernden Hufen.
Als sie mit einem dritten Messer in der Hand wieder
aufsprang, war Arnulf gerade dabei, zu wenden.
Sie sah, wie Wenzel sich ihm in den Weg stellte, mit einer
angeschmorten Zeltstange in der Hand.
Arnulf ritt direkt auf ihn zu. Sein Schlachtross wich der
Stange aus und Antonia sah entsetzt, wie sich das Schwert des Ritters im
Vorbeireiten in Wenzels Nacken grub.
Während Wenzel zusammensackte, ritt Arnulf weiter, direkt
auf das Mädchen zu. Antonia warf ein weiteres Wurfmesser nach ihm, aber er
wehrte es mit dem Schwert ab und verpasste ihr im nächsten Moment mit der
Breitseite seines Schwertes einen Hieb an die Schläfe, der ihr fast die Sinne
nahm. Antonia taumelte benommen, fiel vorn über und stützte sich auf die Arme.
Sie sah Arnulf nach und erkannte sein neues Ziel. Es war
Line, die etwa zweihundert Schritte weiter hinten stand, umrahmt von den
Flammen des hinter ihr lodernden Feuers. Arnulf hielt direkt auf sie zu.
Flieh, wollte Antonia schreien, aber sie brachte keinen Ton
heraus.
Line stand wie angewurzelt da und schaute ihrem Feind
furchtlos entgegen. Lupus stand zähnefletschend neben ihr. Aber was konnte ein
Hund, der zudem verletzt war, gegen einen gepanzerten Ritter auf einem
Schlachtross ausrichten? Entsetzt sah Antonia, dass sich ihrer Freundin auch
von hinten Reiter näherten, die in vollem Galopp auf sie zuhielten.
Jemand schrie einen Befehl. Die Reiter teilten sich hinter
Line und ritten um sie herum, ohne sie zu berühren.
Jetzt erkannte Antonia, dass es Conrad, Hannes und einige
ihrer Männer waren, die an Line vorbeipreschten.
Auch Arnulf erkannte die Reiter und riss sein Pferd herum.
Als er wieder an Antonia vorbeikam, verlangsamte er kurz das Tempo, beugte sich
zu ihr herunter, packte sie um die Hüfte und riss sie zu sich aufs Pferd, als
wäre sie eine Puppe. Antonia war von dem Schlag noch ganz benommen und konnte
sich nicht wehren. In ihrer Schläfe pochte es und sie kämpfte dagegen an, die
Besinnung zu verlieren.
Line schrie ihren Namen. Aber Antonia hörte es nicht.
Conrad und die anderen verfolgten Arnulf und seine Männer,
die in wilder Flucht in Richtung Rittergut galoppierten. Aber bevor sie diese
einholen konnten, schloss sich das schwere Eichentor hinter ihnen und den
Verfolgern flogen Pfeile entgegen, so dass sie abdrehen mussten.
Line rannte zu Wenzel, der reglos am Boden lag. Das Mädchen
kniete sich neben ihn und hob seinen Kopf an. „Wenzel, hörst du mich?“
„Ja“, stöhnte er gepresst. „Antonia?“
„Ich bin Line.“
„Antonia, geht es ihr gut?“, seine Hand krallte sich
schmerzhaft in ihren rechten Arm.
„Ja, sie lebt“, erwiderte sie nur.
Wenzel atmete erleichtert auf, dann verlor er die Besinnung.
Conrad kam mit seinen Reitern zurück. Er sprang von seinem
Schlachtross und kam auf sie zu. „Wir haben sie nicht mehr erwischt“, sagte er
rau.
„Sie haben Antonia“, schluchzte Line. Conrad schloss sie
kurz und heftig in die Arme.
Constance trat hinzu. „Sie haben auch Anna mitgenommen“,
sagte sie tonlos.
„Warum Anna?“, fragte Conrad.
„Sie wollten mich. Anna hat einfach mein Kleid übergeworfen
und ist hinaus gelaufen. Sie wollte mich schützen.“ Constance standen Tränen in
den Augen. Anna war für sie mehr als eine Zofe, sie war ihre Vertraute, fast
eine Freundin.
„Sie werden den Mädchen nichts tun. Wenn Arnulf sie hätte
töten wollen, hätte er es gleich getan“, tröstete Conrad die Frauen. „Wir holen
sie da raus. Alle beide.“
„Wir müssen Wenzel ins Zelt bringen“,
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