Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
Belagerung.
Zum einen wollte er die Geduld seiner Verbündeten nicht auf die Probe stellen,
zum anderen wusste er nicht, wie er so viele Männer über längere Zeit
verpflegen sollte.
Das letztere Problem löste sich schneller als erwartet, als
ein mit Lebensmitteln beladener Wagen eintraf. Die Bauern aus der Umgebung
hatten zusammengetragen, was sie entbehren konnten. Es war offensichtlich, wie
sehr sie sich über die Heimkehr Ritter Conrads freuten, und dass sie ihren
rechtmäßigen Herrn unterstützen wollten.
Es war bereits dunkel, als ein Bote eintrat und zackig
Meldung machte. Die Wachen hatten einen Burschen festgenommen, der vom
Rittergut kommen musste und um die Zelte geschlichen war, als wolle er etwas
ausspionieren.
Conrad trat vor das Zelt, wo zwei Waffenknechte mit einem
jungen Mann mit kastanienbraunen Locken warteten.
„Wer bist du und was wolltest du hier?“, fragte Conrad ihn
streng.
„Mein Name ist Wenzel“, entgegnete der junge Bursche.
„Ich kenne ihn“, mischte sich Manfred ein, der hinzugetreten
war, „er ist Stallbursche auf dem Gut.“
„Das war ich“, bestätigte Wenzel, „neuerdings bin ich
Schweinehirte. Ich habe eine günstige Gelegenheit abgewartet, um vom Gut zu
fliehen.“
„Und warum wolltest du von dort fliehen?“, wollte Conrad
wissen.
„Ich bin nicht der Einzige, der gewaltsam dort festgehalten
wird“, gab der Bursche zurück, „fast das gesamte Gesinde würde sich aus dem
Staub machen, wenn es könnte.“
„Und warum schleichst du hier um die Zelte?“
„Ich suche ein Mädchen.“
Überrascht zog Conrad die Augenbrauen hoch. „Ein Mädchen?
Und woher sollen wir wissen, dass du kein Spion bist?“
„Weil ein Spion nicht so dumm wäre, sich erwischen zu
lassen, weil ein Spion sich eine bessere Ausrede einfallen ließe und
schließlich…“, er zog sich das Hemd über den Kopf und zeigte seinen Rücken,
„…weil ich noch eine Rechnung mit diesem Arnulf von Nienkerken offen habe.“
Die kaum verheilten Striemen sprachen für sich.
„Soso, ein Mädchen suchst du also – wie heißt denn die
Auserwählte, ist sie hübsch?“, wollte Albrecht von Uritz wissen.
„Hübsch? Sie hat Haare wie Stroh, Sommersprossen und eine
Stupsnase, die nach oben zeigt. Ja, sie ist wunderschön, wenn Ihr mich fragt.
Sie heißt…“
„…Antonia?“, warf Conrad erstaunt ein, als wäre es sehr
unwahrscheinlich, dass sich ein Mann ausgerechnet für dieses Mädchen interessieren
sollte. Antonia entsprach wirklich nicht gerade den Schönheitsidealen, dafür
war sie viel zu mager und zu kantig, mit einem kleinen Busen und einem schmalen
Becken wie ein Junge. Auch ihre Bewegungen und ihr Benehmen waren ziemlich
unweiblich, obwohl Anna sich redlich Mühe gegeben hatte, ihr während der Reise
ein wenig Umgangsformen und weibliche Demut beizubringen.
„Ihr kennt sie?“, fragte Wenzel etwas verwirrt. Er kannte
diesen Ritter nicht, obwohl ihm seine Gesichtszüge irgendwie vertraut vorkamen.
„Oh, ja. Ich kenne sie“, erwiderte Conrad und lächelte.
Wenzel schob das Kinn vor und sah ihn herausfordernd an,
bereit, Antonia zu verteidigen, wenn er etwas Negatives sagen würde.
„Ein liebenswertes Mädchen“, sagte der junge Ritter
stattdessen. „Aber sie ist eine Wildkatze. Ich hoffe, du kannst sie zähmen.“
Dann wurde er ernst und sah den Knecht durchdringend an, so
dass Wenzel sichtlich in sich zusammenschrumpfte.
„Antonia ist ein ganz außergewöhnliches Mädchen. Wenn du ihr
Herz eroberst, kannst du dich glücklich schätzen. Aber wenn du es ihr brichst,
bekommst du es mit mir zu tun.“
Jetzt war Wenzel noch verwirrter. Dieser Ritter kannte
Antonia nicht nur, er schien sie sogar sehr zu schätzen. Antonia hatte ihm von
ihrer langen Reise erzählt. Ein Verdacht stieg in ihm auf: „Wer seid Ihr, Herr?
Seid Ihr etwa…“, er sprach nicht weiter.
„Conrad von der Lühe“, stellte Conrad sich sein Gegenüber
vor, „und das sind Albrecht und Hannes von Uritz“, ergänzte er überflüssiger
Weise, denn die beiden Ritter hatte der Stallbursche bereits auf dem Hof Kölzow
gesehen. Da er aber erst seit zwei Jahren dort arbeitete, kannte er den jungen
Herrn von der Lühe nicht. Jetzt wusste er, weshalb ihm der Ritter bekannt
vorkam. Er war der Bruder der Herrin Constance.
„Dann stimmt es also“, stammelte Wenzel ungläubig, „es ging
das Gerücht um, Ihr wäret gar nicht tot, Ritter Conrad. Ich habe es für einen
Wunschtraum gehalten. Der Herr – ich
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