Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
ihrem
geistigen Auge tauchte die Szene auf, wie Arnulfs Schwerthieb ihn
niederstreckte.
Conrad konnte ihr nichts vormachen. „Es sieht sehr schlimm
aus“, sagte er. „Line pflegt ihn.“
Antonia schloss kurz die Augen. Dann begann sie hemmungslos
zu weinen. Conrad nahm sie in die Arme und wiegte sie sanft wie ein kleines
Kind.
„Herr!“, rief ein Soldat, der die Treppe herunter gerannt
kam, „das Gut ist unser!“
Von draußen drangen Hurraschreie zu ihnen.
Er stieg die Treppe hinauf und betrat den Hof. Manfred
folgte ihm mit Antonia auf den Armen, die nicht mehr in der Lage war, auf
eigenen Füßen zu stehen.
Streng bewacht saßen etliche gefesselte Gefangene auf dem
Boden, viele von ihnen nur dürftig bekleidet, denn sie waren im Schlaf
überrascht worden.
Zusammen mit seinen beiden Neffen stand Arnulfs Vater streng
bewacht in der Mitte des Hofes. Wie ein Häufchen Unglück kauerte seine dralle
Geliebte am Boden und schluchzte vor sich hin. Man hatte die Ritter entwaffnet,
aber der Sitte entsprechend darauf verzichtet, sie zu fesseln.
Nach und nach traute sich das Gesinde aus seinen Verstecken
auf den Hof. Viele trugen Knüppel oder Mistgabeln als provisorische Waffen.
Einige hatten sich sogar an den Kampfhandlungen beteiligt. Der alte
Stallmeister war dabei umgekommen.
Die Wachen mussten einige Knechte und Mägde davon abhalten,
sich auf die Gefangenen zu stürzen, denn Arnulfs Waffenknechte hatten sich in
der Zeit auf dem Gut nicht gerade beliebt gemacht.
Conrad sah sich um. Von Manfreds Männern, die als erste in
den Hof gestürmt waren, hatten zwei den Kampf nicht überlebt, ein weiterer war
verletzt. Von den Verbündeten waren mehrere Waffenknechte gefallen und mehrere
verletzt, unter ihnen zwei Ritter. Erhardt von Bassewitz hatte eine
Schwertwunde am rechten Bein davongetragen, Hannes war leicht an der
Schwerthand verletzt.
Insgesamt hatten sie Dank des Überraschungsangriffs kaum
Verluste zu beklagen.
Line hatte es sich nicht ausreden lassen, die Männer bei dem
Überfall zu begleiten, um sich sofort um die Verletzten kümmern zu können. Li
Chan, der auf sie aufpassen sollte, ließ sie erst auf den Hof, als die
Kampfhandlungen beendet waren. Constance war zusammen mit Wenzel und Geronimo
in der Obhut einiger Waffenknechte auf dem Bauernhof zurückgeblieben.
Conrad sah sich auf dem Hof um. Er musste zugeben, dass er
zunächst sehr skeptisch war, als der Chinese aus Salpeter, Schwefel und
Holzkohle ein stinkendes, schwarzes Pulver zusammengemixt und in ein kleines
Fass gefüllt hatte. Die Zündung erfolgte mit Hilfe eines mit Pech getränkten
Dochtes. In sicherer Entfernung hatten Conrad und seine Verbündeten dann
gewartet, wobei sie sich nach Li Chans Rat die Ohren zuhielten.
Das Drachenpulver hatte ganze Arbeit geleistet. Seine
Wirkung hatte Conrads kühnste Erwartungen in den Schatten gestellt. Mit einem
ohrenbetäubenden Krachen war das Tor regelrecht aus den Angeln geflogen und
bevor die Wachen auf dem Gut sich von ihrem Schrecken erholen konnten, waren
die Angreifer in den Hof gestürmt, während die meisten von Arnulfs Männern von
dem Lärm aus dem Schlaf gerissen wurden.
„Arnulf ist tot!“, verkündete Manfred mit seiner tiefen,
befehlsgewohnten Stimme, die bis in alle Ecken des Hofes drang. Einen Moment
war es still, dann brach Jubel unter den Verbündeten und dem Gesinde aus.
„Das ist alles deine Schuld, du Hexe!“, rief Bernhard von
Nienkerken und starrte Line an. Seine Stimme überschlug sich vor Hass.
Conrad hatte seinen Schwertknauf umklammert und sah aus, als
wolle er sich gleich auf den Mann stürzen.
Aber Line kam ihm zuvor. „Lass ihn geifern“, sagte sie sanft
und legte ihre Hand auf Conrads. „Er will nur provozieren.“
Jetzt trat Antonia einen Schritt auf Bernhard von Nienkerken
zu und sagte ruhig, aber laut genug, dass alle es hören konnten: „Euer Sohn war
nicht nur ein Monster, sondern auch kein richtiger Mann. Er fand nur
Befriedigung, wenn er Schwächere quälen konnte. Außerdem war er nicht besonders
gut bestückt – wenn Ihr versteht, was ich meine. Kein Wunder, dass er keinen
Erben zustande gebracht hat.“
Bernhardt von Nienkerken sah aus, als würde er gleich
explodieren. Ein paar Mal schnappte er nach Luft, aber ihm fiel keine passende
Antwort ein. „Hure“, krächzte er nur heiser.
Conrad fixierte Arnulfs Vater und sagte gefährlich leise.
„Noch ein Wort und ich schneide Euch eigenhändig die lästerliche
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