Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
Zunge ab.“
„Du hast meinen Sohn ermordet!“, schrie der Alte anklagend
und zeigte mit einem krummen Finger auf ihn.
„Ich habe nur das Gottesurteil vollendet. Dein Sohn ist
jetzt dort, wo er hingehört - in der Hölle.“ Angewidert wandte sich der junge
Ritter ab.
Er sah zu Anna, die seinen Blick glücklich erwiderte und ihn
anlächelte. Anna lächelte nicht oft und das erste Mal fiel Conrad auf, dass sie
ein recht hübsches Gesicht hatte. Plötzlich änderte sich ihr Gesichtsausdruck.
Erschreckt riss sie die Augen auf und öffnete den Mund.
„Vorsicht!“, schrie sie und Conrad wirbelte herum.
Anna stieß ihn zur Seite, ein Schwert streifte seinen
Gambeson an der Hüfte und fuhr dicht an ihm vorbei in Annas Körper.
Conrad packte das Handgelenk des Angreifers und rammte ihm
den gepanzerten Unterarm ins Gesicht. Das Schwert fiel zu Boden und der
Angreifer taumelte in Manfreds Arme, der ihn von hinten packte und ihm sein
Messer an die Kehle setzte. Es war Bernhardt von Nienkerken, dem es gelungen
war, einem unachtsamen Soldaten das Schwert zu entreißen, um sich auf Conrad zu
stürzen.
„Fesselt ihn“, befahl Conrad. „Er hat genauso wenig Ehre im
Leib wie sein Sohn und verdient es nicht, wie ein Ritter behandelt zu werden.“
Dann wandte er sich um und kniete sich neben Anna, die auf
dem kalten Boden lag und ihn mit großen Augen ansah. Sie atmete sehr flach.
Conrad beugte sich über sie.
„Warum bist du in das Schwert gelaufen?“
„Weil es sonst Euch getroffen hätte“, sagte Anna leise.
Conrad war seltsam berührt von diesen Worten.
Zwei Knechte trugen die schwer Verletzte in eine Kammer und
betteten sie auf einen Strohsack. Line kümmerte sich sofort um sie.
Nach einer endlosen Zeit kam die Heilerin mit blutigen
Händen aus der Kammer und sah Conrad traurig an. „Ich habe die Blutung gestillt
und ihr etwas gegen die Schmerzen gegeben“, sagte sie, „aber sie wird die Nacht
nicht überleben.“ Hilflos hob sie die Schultern. „Sie will dich sehen.“
Conrad tat an Annas Lager und kniete neben ihr nieder. „Ich
habe dir mein Leben zu verdanken“, sagte er mit belegter Stimme.
Anna atmete flach. „Dankt mir nicht“, antwortete sie
schwach. „Hört mir zu, ich muss Euch etwas sagen.“
„Du solltest jetzt nicht sprechen“, sagte Conrad und nahm
ihre Hand, „dazu bist du zu schwach.“
„Ich habe nicht mehr viel Zeit“, das Mädchen stöhnte leise.
„Ich war es.“
„Was warst du?“ Verwundert sah Conrad sie an.
„Ich habe Arnulf diesen Brief gegeben.“
„Welchen Brief?“, Conrad verstand noch immer nicht.
„Den Brief, den Ihr der Herrin Constance aus Italien gesandt
habt. Der Brief, in dem Ihr mitgeteilt habt, wann und wo Ihr die Alpen
überqueren werdet. Daher wussten seine Mordgesellen, wo sie Euch finden
können.“
Erstaunt sah Conrad die Zofe an. „Warum?“
„Lena“, antwortete das Mädchen. „Meine kleine Schwester
Lena. Sie war eines Tages verschwunden. Zwei Tage lang. Dann sagte mir Arnulf,
er wüsste wo sie wäre und könne sie mir zurückbringen. Aber er verlangte eine
kleine Gegenleistung.“
Anna schluchzte.
„Ich wusste doch nicht, warum er die Botschaft unbedingt
lesen wollte. Ich glaubte, er wäre eifersüchtig und vermutete, der Brief käme
von einem Anderen…wenn ich gewusst hätte, was er vorhatte…“, Anna brach in
Tränen aus.
„Und deine Schwester? Lebt sie?“
„Ja. Am nächsten Tag stand Lena vor unserem Häuschen unten
im Dorf. Sie war völlig verstört und hatte überall kleine Wunden. Arnulf drohte
damit, meine ganze Familie zu töten, wenn ich jemals darüber reden würde.“ Anna
weinte jetzt bitterlich.
„Das sieht ihm ähnlich“, sagte Conrad bitter. Dann legte er
seine Hand auf Annas Arm. „Arnulf hätte auch ohne dich einen Weg gefunden, an
den Brief heranzukommen, dich trifft keine Schuld. Außerdem ist sein Plan
gescheitert.“
„Aber es war ein Vertrauensbruch gegenüber meiner
Herrin…werdet Ihr es Eurer Schwester sagen?“
„Es besteht kein Grund dazu.“
„Danke.“ Annas Tränen versiegten und sie lächelte jetzt
sogar. „Ich habe gar keine Schmerzen“, sagte sie mit schwacher Stimme.
Conrad hatte oft erlebt, dass ein Verletzter kurz vor dem
Ende keinerlei Schmerzen mehr verspürte, so als hätte sich seine Seele bereits
vom Körper entfernt. „Soll ich Pfarrer Ekarius holen?“, fragte er vorsichtig.
„Später. Ich muss Euch noch etwas sagen“, Annas Stimme war
jetzt nur noch ein
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