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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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unerbittlich strenge Regeln eingeführt. Zum Beispiel hatte er vorgeschrieben, dass alle auf Kosten des Staates aßen, jedoch gemeinsam am selben Ort.
    Das Sparta des Lykurg übertraf an Tugend und Reinheit der Sitten sogar die alten Römer. Es gab keinen Ehebruch unter seinen Bewohnern, ja, man wusste nicht einmal, was das war. Plutarch erzählt von einem Fremden, der nach Sparta kam und fragte, welche Strafe gegen Ehebrecher verhängt werde. Man antwortete ihm, jeder Schuldige müsse einen Stier kaufen, der so groß sei, dass er, auf dem Gipfel des Berges Taygetos stehend, aus dem Fluss Eurotas am Fuße des Berges trinken können müsse. »Aber einen so großen Stier gibt es nicht!«, soll der Fremde ausgerufen haben. Darauf sagte man ihm, es gebe ebenfalls keine ehebrecherischen Spartaner.
    Derweil wurde unter Beifall und heißhungrigem Brummen das gut durchgebratene Fleischgericht serviert, als Tisch diente ein altes Brett, das auf zwei Stapeln Ziegelsteinen ruhte. Wir fanden alte Stühle und ein paar klapprige Schemel, um uns hinzusetzen, Schenkel, Flügel und Brüste mussten mit den Händen vom Spieß gerissen werden, aber der Duft der Brathühnchen (und der Katzen) machte dieses Mahl zu einem Bankett der olympischen Götter. Das Fenster im Erdgeschoss des über der höchsten Klippe aufragenden Turms öffnete sich auf das endlose Meer, ein Anblick, der fröhlich stimmte und den ohnehin kräftigen Appetit steigerte. Nachdem ein jeder sich bekreuzigt und ein
Te Deum
für diese auf so wunderbare Weise erlangte Speise gesprochen hatte, wurde endlich in das Fleisch gebissen.
    »Mich dünkt, König David hätte besser in Sparta statt in Israel gelebt«, scherzte Malagigi mit halbvollem Mund. »Dort hätte er nie von Ehebruch gehört, und aus seiner Geschichte mit Bathseba wäre nichts geworden.«
    |233| »Und mir scheint, die große Liebe Gottes zu den Juden hat nicht verhindern können, dass sie sich mit den ärgsten Sünden befleckten, während bei diesen Spartanern schon Lykurgs Gesetze ausreichten, ganz ohne Bündnisse und Abkommen, ich meine, Privilegien und Konzessionen«, setzte Barbello hinzu, während er versuchte, mit männlicher Geste ein großes Glas Wein in einem Zug hinunterzuschlucken, was ihm einen Hustenanfall eintrug. »Auf mich wirkt das wie eine Gotteslästerung«, schloss er, als er sich erholt hatte.
    »Dieser Bericht stammt nicht von mir, sondern von Historikern und Philosophen, vor allem von dem großen Plutarch«, verteidigte sich Guyetus, einen Mundwinkel mit der Zunge säubernd. »Er erzählt noch ganz andere Dinge.«
    Plutarch berichte nämlich, erklärte der Pariser Philologe unter emsigem Kauen, dass Lykurg, nachdem er das Land in Güter von gleicher Größe aufgeteilt und jedem Bürger das seine zugewiesen habe, den Spartanern befahl, zur Erntezeit das Korn ordentlich in Garben aufzuhäufen, die alle den von ihm vorgegebenen Maßen entsprechen, also einander exakt gleichen mussten. Außerdem sollten sie auf den Feldern in einem gesetzlich vorgeschriebenen Abstand voneinander aufgereiht werden. Als Lykurg eines Tages auf seinem Weg in die Stadt an den Feldern vorbeikam, lächelte er zufrieden, weil die Spartaner seine Gesetze so peinlich genau befolgten.
    »Lykurg freute sich, aber eigentlich ist es lächerlich«, spottete Barbello, der bereits ein wenig zu tief ins Glas geschaut hatte. »Haben die Historiker uns auch überliefert, wie diese perfekten und immer gleichen Maße aussahen?«, fragte er und riss einen Flügel von einem der Hühner in der Mitte des Spießes.
    »Ehrlich gesagt, nein«, sagte Gabriel Naudé ein wenig verstimmt, weil er feststellen musste, dass die Texte, mit denen Philologen und Literaten täglich Umgang pflegten, für uns Laien ein Quell des Staunens und sogar der Heiterkeit waren. »Tatsächlich habe ich mich über die Geschichte von der perfekten Aufteilung der Landgüter unter den Spartanern auch immer etwas gewundert«, gestand der Bibliothekar nach einer kurzen Pause. »Die Historiker sagen uns auch nicht, welche sicherlich präzisen und gerechten Lösungen Lykurg fand, um keinem Bürger Unrecht zu tun, wenn ein Feld abschüssig, holprig oder von Felsen und Wäldern unterbrochen wurde, während ein anderes eben und frei zugänglich war. Oder wenn es über den Feldern des einen öfter |234| hagelte, während ein anderer mehr Sonne hatte. Wie mag Lykurg die wechselnden Launen der Fortuna ausgeglichen haben, die es wagte, seinen überaus gerechten Plänen zu

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