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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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die Klippen hinunterlaufen«, rief Barbello aus, auf die Felsen weisend, an denen unser Beiboot zerschellt war. Wenn wir schnell genug waren, würden wir genau in dem Moment auftauchen, da die Schebecke an dem Kliff vorbeifuhr. Ging alles gut, würden wir Gorgona schon in einer Stunde verlassen.
    |310| Zu sechst machten wir uns bereit, alle, die schnell zu Fuß waren: Kemal, du und ich, Naudé, Hardouin und Malagigi. Die anderen und Mustafa, der wegen seines piratenhaften Aussehens nicht vorzeigbar war, sollten erst hinunterkommen, wenn unsere Gesandtschaft Erfolg hatte. Sie würden uns, gut versteckt, von der Höhe des Kliffs aus beobachten. Wenn sie merkten, dass etwas schiefging, würden sie sich im Wald verstecken. Eine riskante Entscheidung: wir liefen Gefahr, dass unsere Hälfte der Gruppe und die andere, versteckte, nie wieder zusammenkamen. Barbello bat darum, mitkommen zu dürfen, ich sah euch heimlich Blicke wechseln.
    Doch der Frau, die sich als Kastrat ausgab, wurde befohlen zu bleiben: Sie war nicht kräftig genug, um sich rasch über die Klippen und dann vielleicht im Wasser zu bewegen. Schweigend wandte sie sich ab, ohne sich von unserer Gruppe zu verabschieden.

DISKURS XLV
    Darin es fast gelingt, an Bord des Schiffes aufgenommen zu werden, doch eine kleine vorübergehende Unpässlichkeit alles verdirbt.
    Der Abstieg vollzog sich in höchster Eile. Wir kletterten durch dieselbe felsige Schlucht, die wir hinaufgestiegen waren, doch ist das Herabsteigen auch im Gebirge häufig sehr viel gefährlicher als der Aufstieg. Einige zogen sich Abschürfungen zu, als sie sich von Fels zu Fels hangelten.
    Auf der Hälfte der Strecke blieb Kemal stehen. Er schirmte seine Augen gegen das Tageslicht ab und verkündete:
    »Heimathafen Livorno. Rotes Kreuz auf weißem Grund. Seht her, Secretarius, ist das nicht die Fahne Eurer geliebten Cavalieri vom Orden Santo Stefano?«
    Der Barbareske hatte recht. Doch ich hörte schon nicht mehr zu, sondern krümmte mich, an einen Fels gelehnt.
    »Gütiger Himmel, was ist los mit Euch, mein Freund?«, rief er laut aus, die Aufmerksamkeit der anderen erregend.
    Die Gruppe umringte mich.
    »Es ist nichts, das Abendessen ist mir nicht gut bekommen. Gehen |311| wir weiter, es wird gleich aufhören«, sagte ich, wohl wissend, dass das nicht stimmte.
    Wir stiegen weiter ab und wedelten kräftig mit den Armen, um von der Schebecke, die wir nun direkt vor Augen hatten, gesichtet zu werden. Sie war noch weit entfernt, doch an Bord schien jemand uns bemerkt zu haben. Ein Matrose grüßte uns von der Brücke aus: das erste Zeichen der Hoffnung.
    Wenige Minuten später wurde ein Beiboot zu Wasser gelassen. Vier kräftig rudernde Matrosen waren schon bald nah bei der Insel. Ich sah, wie Naudé und Pasqualini sich bebend vorbeugten, als könnten sie mit ihrer Körperhaltung die Erdoberfläche verkürzen und jenes rettende Boot näher heranbringen. Plötzlich wurden die Ruder eingezogen, und einer der vier Männer erhob sich.
    Kemal kam uns zuvor: »Ihr seid still. Nur ich rede.«
    Angesichts unserer Unerfahrenheit in Seefahrtsdingen wagte keiner, ihm zu widersprechen.
    »Wie viele seid ihr und welcher Nationalität?«, fragte der Matrose in unsere Richtung schreiend, während das Boot aus Vorsicht etwa vierzig Schritt vor uns anhielt.
    »Allesamt ehrliche Untertanen Eures Großherzogs, des Allerchristlichsten Königs von Frankreich, der Republik Venedig und Seiner Heiligkeit des Papstes von Rom«, brüllte Kemal zurück. »Zehn im Ganzen: drei Musiker, vier Gelehrte, ein Secretarius und zwei Seeleute.«
    »Was tut ihr hier?«
    »Überfallen von Barbaresken. Schiff verbrannt, mit Beiboot geflohen!«, schrie Kemal, der vor unserem Abstieg die lange Mähne hatte zusammenbinden und meinen Umhang überwerfen müssen, um alle Details seines piratenhaften Aufzugs zu verstecken.
    Die Berufsbezeichnung »Seeleute« hatte Kemal anscheinend sich und Mustafa zugedacht, doch das Wichtigste war, dass wir uns das Vertrauen der Livorneser Mannschaft erwarben. Wenn wir erst einmal an Bord waren, würden wir ihnen die Geschichte der beiden Barbaresken, die zur wahren Religion unseres Herrn Jesus Christus zurückkehren wollten, vielmehr von Ali Ferrarese im Stich gelassen worden waren, schon langsam beibringen.
    »Zu welcher Flotte gehörte Euer Schiff?«, fragte der Matrose.
    »Es unterstand dem Allerchristlichsten König, wurde geentert und verbrannt. Wilde Korsaren, angeführt von Ali Ferrarese!«
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