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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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platzte der Barbareske los: »Mut! Was weißt du davon, Kastrat? Mut ist etwas für Leute wie Ali Ferrarese, der jeden Tag dem Tod ins Auge sieht. Ansonsten bewegt nur das Geld alles, wie beim Seekrieg. Warst du je in den Barbareskenreichen?«
    »Natürlich nicht. Was für eine Frage …«, erwiderte Pasqualini, der auf die barsche Reaktion des Korsaren nicht gefasst war.
    »Wenn es dich eines Tages dorthin verschlägt, römischer Kastrat, dann wirf einen Blick auf die Schiffswerften in Tripolis, Algier und Tunis und sprich mit den Arbeitern im Hafen. Du wirst sehen, dass die Tischler, die Schiffszimmerer, ja, alle Handwerker Italiener aus Neapel, Venedig, Genua und Palermo sind, die in der Berberei in Lohn und Brot stehen, damit sie die Schiffe bauen, mit denen ihre Landsleute dann verschleppt werden. Und woher, glaubt ihr, kommen die Riemenscheiben, die Federringe, die Takelage, die Kompasse, die Kurbeln, die Segelstoffe für den Bau dieser Schiffe? In den Barbareskenreichen kann niemand diese Sachen herstellen, sie werden Engländern und Holländern abgekauft, die maßgeschneiderte Waren für die Bedürfnisse der Barbaresken herstellen und sie auf den Markt in Livorno bringen. Dort verkaufen jüdische Händler sie zum Fünffachen ihres ursprünglichen Preises an die Gesandten der Reiche weiter. Ihr Christen ereifert euch laut gegen uns Korsaren aus der Berberei, aber mit der rechten Hand bekämpft ihr uns mit Schiffen und Kanonen und mit der Linken überhäuft ihr uns mit Geld und Waffen. Der Schrecken, der aus dem Orient kommt, wird vom Westen gewollt, toleriert und organisiert. Ohne euch gäbe es uns gar nicht, die drei Barbareskenreiche wären schon längst entvölkert und verarmt! Ihr seht nur die Fassade, die wenigen abtrünnigen Kapitäne, berühmte und verhasste Männer, die aus allen christlichen Ländern kommen, aus Italien, Griechenland, Frankreich und Spanien. Aber Fleisch und Blut der Piraterie und des Krieges kommen aus dem hohen Norden eurer Nationen, aus dem Dunkel und der Kälte der nördlichen Küsten Hollands, Dänemarks, der Hansestädte, Schwedens und Englands, aus ihren Staatstresoren, ihren Handelsgesellschaften und Kanzleien. So ist es, und so |317| wird es immer sein. Ihr habt ja nicht die leiseste Ahnung von der Armut in den Ländern Mohammeds. Um Steuern einzutreiben, müssen die Regenten ganze Heere ins Landesinnere bis zu den Beduinendörfern in der Wüste schicken, wo sie mit Arkebusen empfangen werden. Ohne die Gelder von euch Nazarenern wären wir verloren! Noch wenige Stunden vor der Schlacht von Lepanto wart ihr untereinander zerstritten. Wenige Stunden nach Lepanto strittet ihr trotz eures Sieges schon wieder miteinander. Venedig, die christliche Stadt, wenigstens dem Namen nach, freut sich diebisch, wenn Barbareskenschiffe spanische Galeeren versenken. Das katholische Spanien, wenigstens lässt es sich so nennen, jubelt, wenn die Türken den Venezianern Candia, den Peloponnes oder Korfu wegnehmen. Mit wem machen die Händler der Berberei wohl die besten Geschäfte, wenn sie die Beute ihrer Kaperfahrten auf dem Schwarzmarkt verkaufen müssen? Ganz klar: natürlich wieder mit den jüdischen Händlern von Livorno, Untertanen des Großherzogs der Toskana, der zugunsten des Hafens von Livorno Sondergesetze erlassen hat, um den freien Handel und Geldverkehr zu fördern!«
    »Wie … ausgerechnet in Livorno?«, stottertest du.
    »Ja, mein lieber Junge, zu Hause bei euch Italienern, vielmehr uns Italienern, den schlausten von allen. Ihr habt nie die abgehauenen und zu Dutzenden auf eiserne Piken gespießten Köpfe von Nazarenern gesehen. Ich habe sie auf Barbareskengaleeren gesehen, und es waren abtrünnige Italiener, die dem Sultan diese Köpfe zum Geschenk machten.«
    Malagigi schwieg, verdrossen über diese Argumente, denen schwerlich etwas entgegenzusetzen war, da sie aus dem Mund eines echten Korsaren stammten.
    »Wir Franzosen werden nicht so leicht zu Verrätern«, sagte Hardouin.
    »Unsinn«, fuhr ihm der Barbareske über den Mund. »Euer König Franz, der erste dieses Namens, verbündete sich mit Sultan Süleyman dem Prächtigen gegen Kaiser Karl von Habsburg in der Allianz mit den Ungläubigen – diesen Namen habt ihr Nazarener erfunden. Eine gute Gelegenheit für den berühmten Korsar Dragut, Olbia auf Sardinien zu verwüsten und viel christliches Blut zu vergießen. Die Nazarener waren empört, doch das Bündnis wurde von den Nachfolgern des Sultans und den französischen

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