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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Blut, doch nicht viel, man würde ihn verarzten können.
    |326| Kemal sammelte derweil ein wenig Wasser aus dem noch regennassen Laub ringsum und wusch vorsichtig Naudés Kopf. Auf jede mögliche Weise wurde versucht, ihn wieder zu Bewusstsein zu bringen. Mustafa und Malagigi ließen sich unsere Schnupftücher und Lappen geben, die als Verband oder blutstillender Tampon dienen konnten, dann machten sie sich auf die Suche nach Heilkräutern und reinem Wasser, das sie in einem von Mustafa zur Verfügung gestellten Fläschchen auffangen wollten.
    »Armer Junge. Er war ein Lüstling, aber wirklich intelligent«, murmelte Schoppe versonnen, als tauchte er aus seinen Gedanken auf.
    »Nachdem Ihr dem armen Naudé die Hölle heiß gemacht habt, tut er Euch jetzt leid? Wenn er schon tot ist, wird er Euch von dort oben nicht vergeben können, denn es gibt nichts nach dem Tod«, tadelte ihn Guyetus, der in großer Angst um den Bibliothekar war.
    »Naudé wird nach seinem Tod nicht dort
oben
sein, wie Ihr übrigens auch nicht«, schlug der Verehrungswürdige zurück, »vor allem aber habt Ihr nichts verstanden. Ich sprach nicht von Naudé, der zwar ein Lüstling ist, wohl wahr, aber alles andere als intelligent. Ich sprach von Jean-Jacques Bouchard.«
    Guyetus quittierte die Antwort mit einem ärgerlichen Grunzen.
    Es brauchte eine gute Weile, bis Naudé die Augen aufschlug, was alle sehr erleichterte, doch er befand sich in einem üblen katatonischen Zustand. Kemal ließ ihn keine Sekunde lang aus den Augen, versuchte ihn zum Sprechen zu bringen, seinen Geist anzuregen. Mit geringem Erfolg: Naudés Blick war leer und ausdruckslos, dann schloss er die Augen wieder. Guyetus betrachtete ihn besorgt.
    »Auch ich dachte gerade an die Aufzeichnungen Bouchards«, mischte ich mich ein, »die wir heute Morgen gelesen haben. Das verschlug einem ja den Atem, noch nie habe ich eine Liste gesehen, wo so viel grober Unsinn aus den Werken der antiken Historiker aufgezählt wird. Die Menschheit ist wahrhaftig leichtgläubig, Bouchard hatte recht!«
    Auf meine Worte folgte keine Reaktion: Die beiden Gelehrten hatten nicht die geringste Lust, mit mir über diese Aufzeichnungen zu sprechen, die die Glaubwürdigkeit der uns überlieferten Version der Geschichte weit mehr erschütterten als die Diskussion über Lykurg. Denn sie tauchten die sogenannte Gelehrtenrepublik, die auf jene Geschichte glänzende akademische Karrieren gegründet hatte, in das |327| Zwielicht des Betrugs. Es war jedoch offensichtlich, dass Schoppe mit einer gewissen Erregung, deren Grund ich nicht kannte, über der Sache brütete.
    Ungeduldig, als habe er soeben einen mit sich selbst ausgefochtenen Kampf abgeschlossen, brach Schoppe das Schweigen: »Ich habe abscheuliche Dinge über Naudé und Bouchard gehört! Das Zeug in den Tagebüchern dieses Menschen, die nach seinem Tod gefunden wurden! Mein Gott, zum Erbrechen ist das!«
    »Lieber Caspar, das einzige Problem ist deine Bigotterie«, erwiderte Guyetus trocken.
    »Ich und bigott? Ihr habt diese Tagebücher nicht gelesen!«
    »Hast du sie denn gelesen?«, fragte Guyetus.
    »Tja … nein, aber man hat mir davon erzählt. In ganz Italien und Frankreich wurde darüber gesprochen. Und von unserem lieben Naudé ist mehr als genug die Rede … Da will er uns weismachen, dass er nicht wusste, dass Orestes sein alter Freund Bouchard war?«
    »Caspar, ein wenig Respekt bitte, vielleicht liegt Gabriel im Sterben.«
    »Bestimmt nicht, bei dem Dickschädel!« Mit makabrem Humor zwinkerte Schoppe dem armen Bibliothekar zu, den wir noch immer reglos liegen sahen, von Barbello umsorgt. Kemal hatte ihm befohlen, möglichst flache Steine rund um die Wunde zu legen, damit die Schwellung durch die kalten Steine zurückging.
    Darauf begann der Verehrungswürdige mit dem Eifer, den er immer bewies, wenn es darum ging, Öl in das Feuer übler Nachreden und Verleumdungen seiner Rivalen zu gießen, mit seinem Bericht.

NOTIZ
    Darin erzählt wird, was man von Bouchard wusste, bevor er starb.
    Wie alle wissen, hub Schoppe an, kam Naudé 1631 im Gefolge des Kardinals Di Bagni in Rom an. Sein neuer Arbeitgeber, einst Apostolischer Nuntius in Paris, war in die Ewige Stadt zurückgekehrt, nachdem er zum Kardinal ernannt wurde.
    Naudé tritt als Secretarius in den Dienst des Kardinals. Seine Pariser Freunde, die Du Puy mit ihrem gelehrten Salon, an deren Quellen |328| auch Di Bagni sich labte, haben ihn empfohlen. Der junge Pariser kennt Italien schon

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