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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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und gönnten dem Bibliothekar kein ermutigendes Zeichen.
    »27 Jahre lang, junger Atto«, rief Naudé, sich an den Jüngsten in der Gesellschaft wendend. Er hoffte wohl, dass sein pädagogischer Eifer die Aufmerksamkeit der drei Individuen erregen möge, »ganze 27 Jahre lang im Gefängnis. Lerne daraus! Ein solches Ende nimmt, wer sich mit seinen eigenen Ideen gegen die Gewalt der Inquisition, des Papstes und der Katholischen Religion stellt!«
    Eine merkwürdige Erklärung aus dem Munde Naudés, der, woran Schoppe soeben erinnert hatte, seit jeher im Dienst von Kardinälen stand.
    In den endlosen Jahren seiner Haft, fuhr Naudé fort, schrieb Campanella unermüdlich, empfing Besuche und beteuerte immer wieder vergeblich seine Unschuld. 1626 wurde er endlich entlassen. In seinen Gefängnisjahren hatte er sogar die Kraft gefunden, anderen Verfolgten zu helfen, zum Beispiel mit einem Schreiben zugunsten Galileos, als der große Wissenschaftler vor Gericht stand.
    »Von der langen Haft zermürbt, nach einer weiteren Verhaftung glücklich entflohen, rettete er sich zu uns nach Frankreich, wo sein Ruhm schon groß war. Bevor er floh, lernten wir uns in Rom kennen und hatten Gelegenheit zu einem langen Gespräch. Als ich nach Paris zurückkehrte, festigte sich unsere Freundschaft. Und in Paris ist er als freier Mann gestorben. Ach, was für ein Mensch, welch ein Charakter!«, |383| schloss Naudé und hob, melancholisch seufzend, die Augen zum Himmel.

    »Bist du fertig mit deiner üblichen Propaganda für eure verruchte Bande, die Starken Geister?«
    »Wie bitte?« Naudé bedachte Schoppe mit einem säuerlichen Lächeln.
    »Wenn du nicht nur Medizin studiert hättest, übrigens ohne je zu promovieren, und dich stattdessen bemüht hättest, nicht gänzlich unbeleckt von politischer Geographie, Geschichte und Kirchenrecht zu bleiben, wüsstest du, dass die Inquisition, gegen die du bis jetzt anlässlich von Campanellas Prozess deine Wahnreden geführt hast, nicht die römische war, sondern die spanische, und dass Kardinal Maffeo Barberini, der spätere Papst Urban VIII., versucht hatte, ihn aus den spanischen Gefängnissen in Neapel nach Rom verlegen zu lassen, wo er ihm bessere Haftbedingungen und vielleicht die Freiheit hätte verschaffen können. Als Campanella freikam, ließ Papst Urban VIII. ihn als astrologischen Ratgeber zu sich kommen, und man munkelte sogar, er wolle ihn zum Haupt des Heiligen Offiziums machen! Campanella als Inquisitor, könnt ihr euch das vorstellen? Leider spielten zwei neidische Dominikaner ihm einen Streich. Ohne sein Wissen ließen sie recht unorthodoxe Schriften über Rechtsastrologie drucken, die Campanella in der Schublade verwahrte. Aus war es mit der Ernennung. Als er zum letzten Mal verhaftet wurde, konnte er nur dank der stillschweigenden Billigung Urbans VIII. ausbrechen und nach Frankreich fliehen, das wissen in Rom alle. Genügt dir das nicht als Beweis für die Milde und Weitsicht eines Papstes?«
    »Geschwätz, schöne Gesten als pure Fassade. Erzähl uns nicht, dass die spanische Inquisition nicht unter die päpstliche Autorität fällt. Ist der spanische König etwa nicht katholisch? Er wird ja sogar der Katholische König genannt, haha!«, bequemte sich Guyetus zur Verteidigung Naudés.
    »Lieber Guyetus«, stichelte Schoppe, »bei Gabriel kann ich Ignoranz vergeben, bei dir hingegen, der du nicht so ungebildet bist wie er, sehe ich nur die böse Absicht des Ungläubigen, der seine Gegner unbedingt mit Dreck bewerfen will.«
    »Hört, wer da spricht«, brummte Guyetus.
    »Unterbrich mich nicht. Du weißt genau, dass die Beziehungen |384| zwischen dem Heiligen Offizium, das von ausländischen Mächten unabhängig ist, und der spanischen Inquisition, die dem König von Spanien untersteht, sehr heikel sind. Und ihr beide wisst, dass die Spanier Campanella in Neapel nicht wegen seiner häretischen Ideen so entsetzlich folterten, sondern aus viel konkreteren Gründen: der gute Tommaso hatte in Kalabrien, seiner Heimat, eine Revolte gegen den spanischen Vizekönig angezettelt, und zwar mit Hilfe von Verbrechern, sogar eines abtrünnigen Korsaren, eines gewissen Cicala, der im richtigen Moment landen und den Aufständischen helfen sollte, die Regierung der Region an sich zu reißen. Kurzum: politische Verschwörung, Umsturz der öffentlichen Ordnung. Konnte der Vizekönig so etwas dulden? Hätte er Campanella etwa auf freien Fuß setzen sollen, damit er schöne philosophische Traktate

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