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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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hervorgekommen war.
    |390| »Das stammt von Philos Ptetès, keine Frage, seht her!«
    »Petronius, wieder Petronius! Wieder die Schrift von Bracciolini!«, stieß Guyetus hervor, sich mit der Hand die Kehle zudrückend, damit er leise sprach.
    Dieses Mal war die Beute wirklich fett und hundertmal größer. Wenn das kleine Petronius-Fragment aus dem Turm ein außergewöhnliches Ereignis war, dann war dieser Fund mindestens epochal.
    Die drei Schlawiner hatten uns also belogen! Sie hatten behauptet, keine Papiere in der Tasche zu haben, stattdessen kam daraus jetzt ein Schatz von schwindelerregendem Wert zum Vorschein.
    Da der Tisch noch von dem schlummernden Trio besetzt war, ließ das Quartett der Gelehrten sich ungelenk auf dem Boden nieder, während Pasqualini zwischen ihnen hin und her lief, wie eine Biene von Blüte zu Blüte wechselt, um ihr Gebrumm aufzuschnappen, und du dich als sechster und letzter, von der hektischen Neugierde der anderen angesteckt, an der kollektiven Inaugenscheinnahme beteiligtest.
    Barbello bat dich, die Truppe ihren eigenen Angelegenheiten zu überlassen und mit ihr zu kommen, doch davon wolltest du nichts wissen. Du wiesest sie mit einer barschen Gebärde ab, die verkleidete Frau blieb allein.
    Ich wollte mich nicht an dem Gerangel um den neuen Fund beteiligen. »Signor Secretarius, was tut Ihr?«, fragtest du, nachdem ich eine Weile am Fenster gestanden und Himmel und Meer betrachtet hatte.
    »Meine Augen sind etwas müde«, log ich. »Und bei diesem Gedrängel um die Papiere kann ich nichts erkennen. Kehrt zurück, schaut für mich mit.«
    Das musste ich dir sagen. Als ich mich aus dem Fenster lehnte, hatte ich nämlich gesehen, was sich auf dem darunterliegenden Felssporn direkt vor meinen Augen abspielte. Um zu erkennen, dass es besser war, wenn du nichts sahst, genügten ein Blick und vor allem ein Satz:
    »Na, komm schon, willst du nicht wissen, wie ich es herausgefunden habe?«, fragte Kemal deine Barbello.

|391| DISKURS LIV
    Darin während einer amourösen Begegnung von der Zuneigung der Korsaren zur Mama die Rede ist.
    Es ist erstaunlich, wie sogar an unwegsamen und vom Wind gepeitschten Stätten wie den nördlichen Klippen von Gorgona das Spiel der Winde, wenn sie günstige Richtungen nehmen, dem menschlichen Ohr noch die leisesten Geräusche und zartestes Geflüster zu Gehör bringen kann. Just dieses geschah mir: unter meinem Fenster konnte ich dank des Vollmonds Kemal und Barbello sehen, ohne selbst gesehen zu werden, und vor allem jedes Wort ihres Getuschels hören.
    »Es ist mir egal, wie du es herausgefunden hast«, antwortete Barbello in einem Ton, der feinselig klingen sollte, es aber nicht war. Doch Weiber halten sich für große Schauspielerinnen, auch wenn sie es nicht sind.
    »Ich sag es dir trotzdem. Männer erleichtern ihre Blase nicht sitzend, wie du es tust. Ach ja, du wusstest nicht, dass ich dich hinter einem Baum im Wald beobachtete. Dieses Mal hast du versäumt, dich von den beiden Kastraten verbergen zu lassen, wie sonst …«
    »Hör auf, Idiot«, schnitt sie ihm das Wort ab.
    »Nein, hör du auf. Ich weiß sowieso, dass du eine Mama bist«, lachte der Korsar, auf Barbellos geschwollenen Brustkorb zeigend. »Wie viele hast du an deinem Busen saugen lassen? Mindestens drei, meiner Meinung nach.«
    Zum Glück warst du in die Untersuchung des letzten Fundes der Gelehrten vertieft, mein Atto, und hörtest vom Turm aus kein Wort dieses Dialogs. Kemal hatte offenbar das Geheimnis des falschen Kastraten entdeckt, das allen anderen, mich eingeschlossen, entgangen war.
    Eine Weile herrschte Stille zwischen den beiden.
    »Du widerst mich an«, sagte Barbello.
    Kemal schien unbeeindruckt. Der Wind wehte heftig und zerzauste das lange weißliche Haar des Statthalters. Die beiden standen einander gegenüber, Barbello mit dem Rücken zum Felsen, auf dem die Torre Vecchia aufragte. Hinter dem Barbaresken dagegen fiel die Klippe steil zum Meer ab, darüber stießen einige Möwen ihre grellen Schreie aus.
    |392| »Umso besser. Du widerst mich auch an, Mama«, entgegnete er in ernstem Ton.
    Der falsche Kastrat hob die Hand zu einer kräftigen Ohrfeige. Ich hörte das Klatschen auf Kemals Wange, dessen Kopf sich jedoch keinen Millimeter rührte. Dann packte Barbello den Korsar am Kragen, zog ihn an sich und drückte die Lippen auf seine. Das war der einzige Moment, in dem der Korsar überrumpelt wirkte.
    Die verkleidete Frau schlang ein Bein um Kemals Schenkel, legte ihm

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