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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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großen Campanella klären. Du hast ihn mehrmals im Gefängnis von Neapel besucht, das ist wahr. Aber du hast vergessen zu erwähnen, dass er dir mehrere Handschriften übergeben hat, die Frucht unmenschlicher Anstrengungen im Dunkel seiner Zelle, und dich angefleht hat, sie zu veröffentlichen. Du hast es versprochen«, hier hielt Naudé kurz inne, die drei Gäste und Schoppes Gesicht studierend, »aber tatsächlich hast du die Schriften des Gefangenen plagiiert und für deine eigenen Bücher benutzt. Die versprochene Veröffentlichung fand nie statt.«
    Die Reaktion des Verehrungswürdigen ließ nicht auf sich warten:
    »Du! Ausgerechnet du, Naudé, wagst es, von Campanella zu sprechen! Auch du hast ihn im Gefängnis besucht, aber dann hast du ihn enttäuscht. Über ein Jahr hattest du Umgang mit ihm in Rom, aber du – nicht ich! – hast ihm Ideen und Handschriften gestohlen, um sie unter eigenem Namen zu veröffentlichen. Dann hast du drei Jahre nach seinem Tod im Jahre 1639, also vor vier Jahren, dein Gewissen entlastet, indem du eines seiner Bücher herausgegeben und dich damit obendrein unverdienterweise als großzügiger Freund hingestellt hast!«
    »Lügen. Campanellas Schicksal hat dich nie interessiert, nur die politische Seite der Sache«, erwidert Naudé mit erzwungener Ruhe. »Einen Philosophen und Theologen wie Campanella an der Hand zu haben, der dir Material für deine politischen Schriften gegen Luther, Calvin und alle Protestanten lieferte, das war ein unbezahlbares Glück. Gewiss, Campanella trat für eine katholische Monarchie ein, also eine antilutherische Option par excellence. Darum war er für dich der ideale Kandidat, den du ausbeuten konntest. Im Gefängnis produzierte er Bücher wie eine Arbeitsbiene und du hast seine Argumente in deinen Büchern verwertet, hast daraus politische Vorschläge gemacht oder Streitereien angezettelt, die Kunst, in der du brillierst.«
    »Du hast ihn nach Paris gelockt«, knurrte Schoppe, »denn er glaubte, du würdest ihm helfen, sich dort nach 27 Jahren Gefängnis ein neues Leben aufzubauen. Aber du hast ihn keines Blickes gewürdigt und sogar als Schwärmer hingestellt. Für dich zählt nur die augenblickliche |387| Mode. Erst warst du so besessen davon, dass man dich den Campanellisten nannte. Aber dieser alte, von der Haft verblödete Mönch nützte dir nichts mehr, er war nicht mehr in Mode. Also habt ihr, du und deine Freunde von der Tetrade, ihn fallengelassen und überall herumerzählt, dass er ein aufrührerischer Trottel sei. Stattdessen seid ihr hingegangen, Galileo Galilei den Arsch zu lecken, um aus ihm einen Helden zu machen, stimmt’s?«
    »Du bist auch zu Galileo gegangen«, erwiderte Naudé nur achselzuckend. Er nützte es schamlos aus, dass Schoppe in diesem Moment nicht wagte, Galileo einen Betrüger zu nennen, der sich absichtlich hatte verurteilen lassen, um berühmt zu werden und endlich seine Bücher verkaufen zu können, die niemand haben wollte. Man konnte ja nicht wissen, wie die drei Bärtigen über den berühmten Wissenschaftler dachten, der mit seinem Widerruf auch im Klerus viele Anhänger gewonnen hatte. Was würde insbesondere Philos Ptetès denken, der sich vielleicht unter den dreien verbarg.
    Guyetus lachte: »Du hast verloren, Caspar.«
    Tatsächlich war der deutsche Herausforderer am Ende des Streitgesprächs durch den Eifer, mit dem er die letzten Schläge ausgeführt hatte, völlig verschwitzt, der französische Gegner, der seine Kräfte zu schonen wusste, hingegen kühl und trocken. Bevor er antwortete, stopfte Schoppe sich eilig eine Handvoll Rosinen in den Mund. Darauf verdrehte er erst die Augen, dann begann er heftig zu husten: der Bissen war ihm in den falschen Hals gekommen. Das machte sich Naudé in gemeiner Weise zunutze. Er stand auf, hob das Glas in seiner Hand und sprach mit der ausholenden Gestik eines Rhetors, wie ein römischer Senator der Antike:
    »Um ehrlich zu sein, mein armer Caspar, muss ich nicht einmal unbedingt recht behalten. Der Grund ist den Worten desjenigen eingeschrieben, der ihn zu entdecken weiß, er ist auf sein Gesicht gemalt und dem Gedächtnis der Nachgeborenen eingemeißelt. Was dich betrifft, Caspar, bedenke, dass es nicht unehrenhaft ist, besiegt zu werden, und du hast dich im Kampf tapfer gezeigt. Nicht ohne Ehren betrittst du am Ende deines Lebens das Schattenreich. Obwohl du im Kampf unterlagst, ist dies dir genug: Du bist in der Schlacht gestorben, du hast deine Kraft mit

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