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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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die freie Hand auf die Brust und war nun eng an seinen Körper geschmiegt. Der Korsar packte sie mit beiden Händen unter den Hinterbacken, hob sie mit einem Satz hoch und drückte sie nach ein, zwei Schritten mit genau berechneter Brutalität gegen den Felsen. Der weibliche Seufzer der Überraschung und Befriedigung aus Barbellos Mund war lauter als erwartet.
    »Pst! Willst du, dass dein kleiner Kastrat dort oben dich hört?«, mahnte Kemal, während er, nach dem, was ich sehen konnte, ihren Hals großzügig mit der Zunge erforschte.
    »Selber schuld, du liebst die Mütter zu sehr«, sagte Barbello, während sie den Rücken bog und die Arme hob, da sie zwischen dem Körper der Festung und dem ihres Kavaliers eingezwängt, festen Halt hatte. Dann wimmerte sie etwas, was ich nicht verstand und was vielleicht nichts bedeutete außer Erwartung und Drängen.
    »Das stimmt, alle Korsaren lieben Mütter«, antwortete der Barbareske, Barbellos Schultersack beiseite schiebend. Er versuchte, sich mit den Fingern einen Weg durch die komplizierten, lästigen Verschnürungen um ihre Brust zu bahnen.
    Noch ein kleiner Aufschrei und du wärst zum Fenster gekommen und hättest alles entdeckt. Hätte ich die beiden Stehgreifliebenden jedoch gewarnt, indem ich ihnen etwas aus dem Fenster auf den Kopf warf, hätte Barbello glauben können, dass ich für dich, Atto, spionierte, und ich hätte eure zarten Bande womöglich für immer zerstört. Du wiederum hättest bitter bereut, dass du Barbello soeben mit einer hastigen Geste abgefertigt und deine in momentaner Lust entbrannte Geliebte Kemals Klauen überlassen hattest, um dich auf die Papiere von Philos Ptetès zu stürzen. Mir fehlte der Mut, das alles heraufzubeschwören, obwohl du dich mit diesem Weib verbunden hattest statt mit den mächtigen Päderasten, die dir vom Schicksal bestimmt waren, und denen treu zu bleiben ich selbst dir dringend |393| geraten hatte. Im Grunde hatte auch ich Barbello genossen, ich wollte mir nicht eines Tages vorwerfen müssen, euch aus unbewusster Rivalität voneinander getrennt zu haben. Du begehrtest sie, ich dagegen meine Gemahlin. Also war es besser, jeden Alarm zu vermeiden und zu hoffen, dass die beiden Heimlichtuer ihre Lust aneinander nicht durch zu laute Geräusche verrieten. Eine fast maßlose Lust, die Barbello an dem erfahrenen, stattlichen Kemal zu finden schien, weit größer, fürchtete ich, als die, welche du ihr verschaffen konntest.

DISKURS LV
    Darin dem jungen Atto Melani der erste Liebeskummer droht, doch er wird zum Glück durch neue, aufsehenerregende philologische Entdeckungen abgelenkt.
    »Hat sich jemand verletzt?«, fragtest du, den Kopf hebend, als Barbellos spitzer Schrei plötzlich in der Luft lag.
    »Die Möwen«, log ich. »Um diese Zeit stürzen sie immer wie verrückt durch die Luft, bevor sie schlafen gehen. Zwei paaren sich gerade direkt unter mir.«
    »Ach so.« Beruhigt vertieftest du dich wieder in die Papiere.
    Zum Glück erhoben sich aus eurer Gruppe nicht weniger lebhafte Schreie: Die Papiere in der Tasche der drei Landmänner schien außergewöhnliche Überraschungen zu bergen.
    »Er ist es! Das ist der ganze Trimalchio!« Schoppe stand auf und hob die Arme zum Himmel, als hätte er einen olympischen Wettkampf in der antiken Hellas gewonnen.
    Auch alle anderen, gelehrt oder nicht gelehrt, gebärdeten sich wie entfesselte Bacchanten: Guyetus presste sich einen Packen Papiere an die Brust, strich liebevoll mit den Fingern darüber, schnüffelte daran, um Spuren irgendwelcher Wohlgerüche zu erhaschen, die nur Philologen kennen; Hardouin hielt sich ein mit winzigen, unleserlichen Buchstaben beschriebenes Blatt dicht vor die Augen wie ein sehschwacher Greis; Naudé, Malagigi und du strittet um andere Haufen staubiger Schnipsel, die ihr euch zunächst weiterreichtet und dann einander aus den Händen risst.
    |394| An meinem Fenster war ich zum Beobachter zweier gegensätzlicher Ekstasen geworden: der Gier der Philologen nach dem geschriebenen Wort und der des Mannes und der Frau nach dem ursprünglichen, heiligen Werk aus Fleisch, Blut und Atem.
    »Der Korsar, der seine Mama am meisten liebte, war der schreckliche Cicala«, sagte Kemal, während seine Hände, der labyrinthischen Stoffbinden überdrüssig, die sie von nackter Haut trennten, diese inzwischen grob heruntergezogen hatten, sodass die üppigen Brüste endlich zum Vorschein kamen.
    »Oh, der schreckliche Cicala … meinst du, er tat so etwas auch bei

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