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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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des gesamten Gastmahls des Trimalchio groß ist und man eine Kostprobe des soeben ans Licht gekommenen Fundstücks erhält.
    »Erraten!«, rief ich fast im selben Augenblick. Es war ein verzweifelter Versuch, Kemals Ausruf mit meiner Stimme zu übertönen und das Geschehen vor deinen, vor aller Ohren zu verbergen.
    Zum Glück hatte ich nicht umsonst geschrien: Während Malagigi das Interesse an dem Papierkram verloren zu haben schien, hattest du mich mehrmals mit lauter Stimme gefragt, ob ich mich nicht endlich zu euch gesellen wollte, um einen Blick auf die aufregende Entdeckung zu werfen, oder ob mich etwas daran hinderte?
    »Ihr habt es erraten, Signorino Atto«, erklärte ich, »ich war tatsächlich abgelenkt von den bewundernswerten Flugkünsten dieser Möwen. Jetzt bin ich ganz Ohr.«
    »Dann kommt endlich her!«, gabst du verärgert zurück.
    Ich kam näher. Die Gelehrten hatten ihre Gefühle mühsam wieder unter Kontrolle gebracht. Schoppe kam feierlich auf mich zugeschritten, flankiert vom Rest der Anwesenden, als handelte es sich um eine öffentliche Zeremonie. Bebend vor Rührung umarmte er mich und erklärte: »Wir haben es.«
    »Gut. Was denn?«, fragte ich erstaunt.
    »Wie bitte?«, protestierte Schoppe und ließ die Arme sinken, als sei ich seiner Umarmung plötzlich unwürdig. »Ihr habt es also noch nicht begriffen? Die
Cena Trimalchionis
! Wir haben das gesamte Gastmahl des Trimalchio, das als Ganzes lesen zu können niemand sich bis jetzt hätte träumen lassen!«
    Fast gleich darauf umringtet ihr anderen mich und hieltet mir den Haufen Blätter unter die Nase, in dem ihr alle bis jetzt so leidenschaftlich gewühlt hattet. Naudé ergriff das Wort:
    |397| »Alles passt zusammen. Philos Ptetès hat die Handschrift, in der Poggio Bracciolini das gesamte Gastmahl des Trimalchio von Petronius kopiert hatte, hierher auf die Insel gebracht. Wir haben bereits alles geordnet. Zum Glück handelt es sich um Pergament von bester Qualität, und es liest sich ausgezeichnet. Und Ihr, Signor Secretarius, seid Zeuge der großen Entdeckung, seht her! Wir haben hier nicht nur das vollständige
Satyricon
, das uns Gelehrten bisher bekannt war, sondern auch den Teil des Gastmahls des Trimalchio, den bisher niemand gefunden hatte. Überzeugt Euch selbst, ich bitte Euch! Nehmt wenigstens eine Kostprobe.«
    Ich griff wahllos eine Seite heraus und begann zu lesen. Während ich den Text überflog, begleitete Schoppe meine Lektüre, indem er eintönig die Übersetzung herunterleierte, sodass Lesen und Verstehen eins wurden.
    Es ging um die Ankunft Fortunatas, der Gattin von Gaius Trimalchio, die von ihrer Freundin Scintilla und dem Freund Habinnas empfangen wird:

    »Sage mir bitte, Gaius, warum sitzt denn Fortunata nicht bei uns am Tisch?«
    »Du kennst sie doch«, sagte Trimalchio, »und weißt genau, dass sie nicht einmal einen Tropfen Wasser zu sich nimmt, bevor sie nicht das Tafelsilber in Sicherheit gebracht und die Reste an die Sklaven verteilt hat.« »Nun«, sagte Habinnas, »wenn sie nicht zu Tisch kommt, erhebe ich meinen Arsch und bin weg.«
    Er machte schon Anstalten, sich zu erheben, da wurde Fortunata auf ein Zeichen vier- oder fünfmal von der gesamten Dienerschaft laut gerufen, bis sie herbeikam. Sie trug eine mit einem gelben Gürtel so hoch aufgeschürzte Tunika, dass man darunter ihr kirschrotes Unterkleid sah. Unten zeigten sich die Ringe, die sie um die Fußfesseln trug, und ihre Schühchen aus weißem, vergoldetem Leder. Sie wischte sich mit einem Tuch, das sie am Busen trug, die Hände ab, setzte sich auf das Triklinium, auf dem Scintilla lag, die Gemahlin des Habinnas, und küsste sie mit den Worten: »Endlich sieht man sich wieder!«
    Nachdem Höflichkeiten ausgetauscht waren, streifte Fortunata die Reifen von ihren fetten Armen und zeigte sie Scintilla, damit sie sie bewunderte. Sie nahm auch die Ringe von ihren Fußfesseln und das Haarnetz, das sie auf dem Kopf trug und das, wie sie sagte, aus purem Gold sei.
    |398| Trimalchio ließ sich diese Juwelen übergeben und zeigte sie der Tischgesellschaft mit den Worten:
    »Hier seht ihr die Fesseln der Frauen! Und wir, vertrottelte Märtyrer, lassen uns dafür ausnehmen. Dieser Armreifen wiegt mindestens sechseinhalb Pfund, aber ich habe sogar einen von zehn Pfund!«
    Um nicht als Lügner zu erscheinen, ließ er eine Waage mit dem Armreifen herumgehen, damit alle das Gewicht überprüfen konnten.
    Scintilla, die nicht weniger eitel war als Trimalchio,

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