Das Mysterium der Zeit
habe ihn mehrmals im Palazzo Barberini getroffen«, stammelte Pasqualini verwirrt. »Der Grund ist einleuchtend: Wir arbeiteten für denselben Herrn, den Kardinal Barberini! Ich erinnere mich gut, dass Bouchard nach mehreren Monaten wegen des Überfalls auf dem Petersplatz in Rom, wo er blutig geschlagen wurde, starb. Es hieß, der Auftraggeber sei der Botschafter von Frankreich persönlich gewesen. Mich dünkt sogar, dass der Botschafter selbst sich dessen rühmte. Aber ich schwöre bei allen Göttern, dass ich nicht mehr weiß!«
Die Zuhörerschaft fixierte Malagigi stumm.
»Meine Güte!«, schnaubte dieser, zum ersten Mal ohne seine unerschütterliche gute Laune. »Ich habe für Kardinal Barberini gearbeitet wie Bouchard. Na und? Die Barberini waren die Familie von Papst Urban VIII., Hunderte arbeiteten für sie. Wenn wir jetzt über Zufälle spekulieren wollen, werden wir uns schließlich alle gegenseitig verdächtigen, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, das garantiere ich Euch.«
»Doch dieser seltsame Fund der beiden Papiere …«, beharrte Naudé mit einem misstrauischen Blick auf Pasqualini.
»Wenn ich noch eines finde, zerreiße ich es, versprochen!«
»Wir wollen doch nicht übertreiben«, beeilte sich der Verehrungswürdige einzuwerfen, den schon der Gedanke an diese Absicht Malagigis beunruhigte. »Aber Ihr werdet verstehen, es ist wirklich sonderbar, dass wir auf dieser Insel Notizen eines armen Ermordeten finden, den nicht weniger als drei von uns gekannt haben …«
»Verflixt, wollen wir wirklich nur noch Unsinn reden?« Malagigi verlor die Geduld. »Nun, dann sage ich Euch, dass auch unser junger Melani hier etwas mit Bouchard zu tun haben könnte, denn der Secretarius von Kardinal Barberini stammte aus Pistoia wie Atto, ja er hieß sogar Francesco Bracciolini, derselbe Nachname wie Poggio also, und er kannte Bouchard bestimmt, denn er schrieb eine Totenklage, als der Arme starb. Na, was sagt ihr dazu? Wollen wir auch Atto verdächtigen, obwohl er erst fünfzehn Jahre alt war, als Bouchard umgebracht wurde? Scheint Euch das logisch? Du hast den Secretarius des Kardinals gekannt, nicht wahr, Atto?«
»Natürlich … wir waren in Rom Gäste der Barberini, als ich Gesangsunterricht |528| erhielt, aber daran ist doch nichts Böses … oder, Signor Secretarius?«, fragtest du, erschrocken wie ein schutzsuchendes Kind auf mich zukommend, der ich etwas abseits von der Gruppe an einer Wand lehnte.
Ich legte dir eine Hand auf die Schulter und sprach ein paar beruhigende Sätze, während der Rest der Gruppe fortfuhr, sich gegenseitig mit mehr oder weniger höflichen Invektiven zu überschütten.
Darüber vergingen einige Minuten, während derer unsere Gefährten zunehmend lebhaft diskutierten und du mir kaum mehr zuhörtest.
»Das reicht jetzt, Signori!«
Das Auditorium verstummte. Du hattest gesprochen und kehrtest mit diesen Worten in die Mitte der Gruppe zurück.
»Nun gut, ich gestehe alles.«
»Was willst du gestehen?«, fragte Schoppe misstrauisch.
»Es ist zwecklos, noch länger zu verschweigen, dass mein Landsmann aus Pistoia, Francesco Bracciolini, der vortreffliche Dichter und Secretarius von Kardinal Barberini, tatsächlich der direkte Nachfahre von Poggio Bracciolini war und dessen kostbare, unveröffentlichte Handschriften geerbt hat, darunter auch das
Satyricon
von Petronius. Da er nicht wusste, was er damit anfangen sollte, hat er sie Bouchard geschenkt, der sie ihm jedoch zurückgab, bevor er starb, und ihm außerdem auch seine Aufzeichnungen hinterließ, die Francesco Bracciolini vor seinem Tod wiederum Philos Ptetès weitergab, den er irgendwo kennengelernt hatte. Darum finden wir auf dieser Insel, wo unser geheimnisvoller Mönch vor zwei Jahren weilte, hier und da von beidem etwas, sowohl von den Papieren Poggios als auch denen Bouchards. Seid Ihr jetzt zufrieden, Signori? Ich bin nur traurig, dass mir nichts Glaubwürdigeres einfällt, um zu begründen, dass auch ich etwas mit Bouchards Tod zu haben könnte, obwohl ich damals erst fünfzehn war und weit weg von Rom singen musste, nämlich die
Finta Pazza
im Teatro Novissimo von Venedig, aber ich kann Euch garantieren, dass die unumstößliche Tatsache, dass Poggio mit vollem Namen Giovanni Francesco Poggio Bracciolini hieß, also fast genauso wie der Secretarius von Kardinal Barbarini, der Francesco hieß, sicher eine geheime Bedeutung hat, ebenso wie die Tatsache, dass beide mit 79 Jahren starben.«
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