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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Freundschaftsbund bestand also nur aus einer einzigen langen Zusammenkunft im Sommer 1628. Damals fand der Schwur auf die Tetrade des Pythagoras statt.
    »Was habt Ihr denn auf die Tetrade geschworen?«
    »Das ist ja der Witz«, sagte Naudé, »ich weiß es nicht.«

    Und er erzählte, dass an jenem Tag im Sommer 1628, als es um den erwähnten Schwur ging, alles wie ein Scherz ausgesehen hatte. Man |614| hatte gegessen und getrunken, wenig zwar, aber in sehr heiterer Stimmung. Naudé hätte fast eine Tunika angezogen, um katholische Priester zu parodieren, doch Diodati, wiewohl ebenfalls guter Laune, wollte nicht alles zur Farce verkommen lassen. »Wenn wir auf diese Zahl schwören, werden wir wie Pythagoras sein«, hatte er nur gesagt, und die anderen gefragt: »Schwört ihr?« Entzückt von dieser Komödie sagten die anderen drei: »Wir schwören!« Es folgten Applaus und Gelächter.
    »Wir waren jung und vor allem leichtsinnig«, sagte Naudé, »keiner von uns wusste viel vom Leben. Nur Diodati hatte Erfahrungen in der Welt gesammelt. Aber er war zu geheimnisvoll, als dass man ihn hätte durchschauen können. Wir anderen waren nichts gegen ihn.«
    La Mothe Le Vayer sei auf tausenderlei Gebieten ein Dilettant gewesen, der mit seinen dreißig Jahren noch gar nichts zuwege gebracht hatte. Er hatte eine vom Vater ererbte Stelle bei der Magistratur, doch er hasste das Recht. Spät hatte er sich mit einer Witwe verbunden, eine reine Scheinehe. Er schrieb und veröffentlichte Bücher wie ein Bäcker Brote aus dem Ofen holt. Nur der Umgang mit Literaten beglückte ihn, sie schienen seinem Leben endlich eine Richtung zu geben.
    Gassendi, ein junger Priester von eher schwankender Frömmigkeit – weit mehr als das Wort Gottes begeisterte ihn das Studium heidnischer Leugner des Jenseits wie Epikur und Aristoteles – hatte aus der klassischen Literatur sein wahres Evangelium gemacht, und auch er sonnte sich in dem Traum, berühmt zu werden. Natürlich nicht als Seelenhirte, sondern als Antikenforscher.
    »Blieben Diodati und ich. Ich war ein junger Mann, der zu großen Hoffnungen berechtigte, ein passionierter Bücherjäger wie heute, lebhaft, eifrig, von vielen geschätzt. Doch der einzige, der Grips hatte, und zwar reichlich, das war Diodati«, sagte Naudé. »Wir hielten uns für etwas Besseres. Das Volk war uns verhasst. Wir waren vollgestopft mit Zitaten, die wir aus Büchern gefischt hatten, wir waren pedantisch wie Streber, aber wir wollten Anstoß erregen. Kindsköpfe waren wir.«
    Er setzte sich das Fässchen an den Hals, schluckte, wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab und rülpste.
    »Im Grunde verachteten wir die Leser unserer Bücher, aber das sagten wir nicht.
Intus ut libet, foris ut moris
, bei dir denk, was du willst, in der Öffentlichkeit handle wie die anderen. Wir verwandelten antike Sprichwörter in obszöne Witze. Wir scherzten andauernd, waren aber |615| nie wirklich fröhlich. Nichts interessierte uns, nichts rührte uns, wir hatten kein wirkliches Ziel. Wir verachteten die Esoterik, aber sie war uns lieber als die Religion, in Wahrheit faszinierte sie uns nur, weil sie eine Leere ausfüllte. Nur Diodati verhielt sich, als hätte er ein Ziel in seinem Leben, aber man verstand nicht, was das war, wie auch keiner je den Schwur verstanden hat, den er uns zum Spaß leisten ließ. Uns anderen, das kann ich jetzt sagen, war nur daran gelegen, eine gute Figur abzugeben. Bei den Du Puy ließen wir uns fast jeden Tag sehen, weil dort Richter, Botschafter, Ärzte, Akademiker waren. Auch Priester, aber Ausnahmegestalten wie Pater Gaffarel, ein profunder Kenner orientalistischer Fächer, der Esoterik und der Kabbala … alles, was damals modern war. Bei den Du Puy durften die Gäste nach Belieben in der Bibliothek stöbern, alles war erlaubt, alles wurde leicht genommen. Die
Deniaisez
sollten Mode werden, und wir waren ein Teil dieser Mode.«
    Wieder hob er das Fässchen, er hatte aufgehört, dir davon anzubieten.
    Da wecktest du seine Aufmerksamkeit. »Monsire Naudè, ich glaube …«
    »Sprich, mein Lieber.«
    »Nun, ich glaube, ich muss Euch etwas zeigen. Es war in dem Sack, den wir in der Hütte der Banditen gefunden haben.«
    »Ach ja, die Hütte«, sagte Naudé mit angeekelter Miene, sicher dachte er an das unaussprechliche Mahl, das wir dort eingenommen hatten. Er nahm die Blätter, die du ihm reichtest, und las.
    Die ersten Sätze, die er sagte, waren unverständlich. Erst als er die Stimme hob, konnte

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