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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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aufgeschichtet.
    »Ich kann es immer noch nicht glauben … Also ist alles wahr! Wenn Schoppe oder Naudé hier wären, würden ihnen die Sinne schwinden«, sagte ich.
    Philos Ptetès hatte sein Versprechen gehalten. Vor unseren Augen lag die größte Sammlung verlorener Werke des Altertums, kopiert von Poggio Bracciolini, dem berühmtesten Jäger von Handschriften aus allen Zeiten. Die Aufschrift »vollständig« kennzeichnete die Werke, die nur zum Teil überliefert waren, durch die Sammlung von Philos Ptetès jetzt aber ergänzt wurden. Die anderen hingegen, soweit ich das mit meinen sehr bescheidenen Kenntnissen der antiken Literatur beurteilen konnte, waren Werke, von deren Existenz man wusste, die aber niemals gefunden worden waren.
    Unterdessen überflogst du die Titel der alten Kladden.
    »Cicero … Juvenal … Propertius … Vergil, wieder Cicero … Petronius ist nicht dabei, wie es scheint. Den müssen die drei Bärtigen noch |647| haben. Jedenfalls scheint mir das hier genug, um nicht nur Schoppe und Naudé die Sinne zu rauben, sondern auch vielen anderen, einschließlich Guyetus und Hardouin, wenn sie noch am Leben wären. Gott sei ihren armen Seelen gnädig.«
    »Mögen sie in Frieden ruhen«, ergänzte ich, während wir alle drei traurig ein Kreuzzeichen schlugen.
    Ich fuhr fort, in dieser unglaublichen Schatzkammer einzigartiger Edelsteine zu stöbern. Alles war in einer winzigen Handschrift geschrieben, ähnlich jener des Petronius, den wir zunächst in kleinen Mengen in der Torre Vecchia und dann in weit großzügigeren Posten in der Tasche der drei Bärtigen gefunden hatten.
    Auf einem Bord ganz rechts bemerkte ich eine Reihe weniger voluminöser Schriften, eher eine Sammlung von Notizen. Ich streckte die Hand aus, zog sie herunter und überflog sie.
    Du und Barbello kamt sofort an meine Seite, als ihr bemerktet, dass ich etwas in der Hand hielt, was anders aussah als die kostbaren Manuskripte.
    Es waren zwei alte, zerlesene Heftchen, von einer schlichten Fadenheftung zusammengehalten. Die Handschrift deutete auf Bouchard hin. Ich schlug eines auf:

    DER WUNDERBARE ARISTOTELES
    Ist es möglich, dass der Mann, der das menschliche Denken wie kein anderer beeinflusste, von Geheimnissen umgeben ist? Alles, was den Philosophen par excellence betrifft, der drei Jahrhunderte vor Christus lebte, ist nebulös, sein Leben undurchdringlich von Beginn an. Sein Präzeptor war ein gewisser Proxenos aus Atarneus, dessen Name jedoch durch den Bericht des Ammonios überliefert ist – und der ist ein notorischer Betrüger. Böse Zungen flüstern, dass Aristoteles ein falscher Arzt, ein Scharlatan, Erbschleicher und Freischärler war, der sich aus Verzweiflung in die Akademie Platons, seines großen Lehrmeisters, flüchtete. Zwischen beiden kam es zum Streit, weil Aristoteles arrogant und intrigant war und eine zweite Schule gegründet hatte, um seinem alten Lehrer Konkurrenz zu machen, der dem Tode nahe war, ja, er soll ihn sogar aus den Räumen seiner Akademie vertrieben haben.
    Ob das wahr ist? Wir werden es nie wissen. Aristoteles, der Ströme von Tinte über tausenderlei Themen vergoss – von der Fortpflanzung der |648| Fische bis zu den Kometenbahnen – hat über sich selbst geschwiegen. Kein einziges Wort über die zwanzig Jahre, in denen er Platons Schüler war. Ein Meister der Bescheidenheit?
    Dem allwissenden und redegewandtesten, redseligsten Philosophen aller Zeiten verschlug es nur dann die Sprache, wenn er ein paar Worte über sich selbst sagen sollte.
    Nach Platons Tod wird er zum Präzeptor des jungen Alexander des Großen ernannt, des Königs von Mazedonien. Vielleicht weil sein Vater Arzt des Großvaters von Alexander war? Was lehrt Aristoteles den zukünftigen Helden? Wir erfahren es nicht. Doch die antiken Historiker beteuern, dass Alexander seinen Lehrer liebte und ihm sehr dankbar war für die Liebe zur Erkenntnis, die er in ihm geweckt hatte. Uns sind sogar einige Briefe zwischen dem Philosophen und Alexander überliefert und ein Traktat über Rhetorik, den der Lehrer für seinen Schüler schrieb – schade, dass auch dies dreiste Fälschungen sind, wie mittlerweile alle begriffen haben.
    Zurück in Athen, erarbeitete er innerhalb weniger Jahre in einem selbstmörderischen Arbeitsrhythmus ein gewaltiges philosophisches System, schrieb Dutzende von Traktaten, unterrichtete Heerscharen von Schülern im Verlauf unzähliger, endloser Zusammenkünfte und war der erste Philosoph, der eine große

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