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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Privatbibliothek anlegte. Seine Bildung war grenzenlos, seine Beherrschung der gesprochenen und geschriebenen Sprache vollkommen. Für seine Werke stellte er aufwendige Recherchen in Archiven an. Woher nahm er das nötige Geld für all diese Aktivitäten? Hatte er vom Vater geerbt oder verdiente er selbst gut? Auch diese wichtige Information verschweigt der Philosoph. Seine schöpferische Kraft hat etwas Unwahrscheinliches: er gilt als eine Autorität in der Philosophie, Naturwissenschaft, Astronomie, Grammatik, Statistik, Geburtshilfe, Physik, Anthropologie, Physiognomie, Politik, Ethik, Wirtschaft, Kunst und Botanik, außerdem stammen Gedicht- und Briefsammlungen aus seiner Feder. Genug, um zu erschrecken.
    Im Laufe der Jahre soll er überdies in Intrigen verwickelt gewesen sein, sogar in die Ermordung Alexanders des Großen. Schließlich wurden über ihn das Scherbengericht, die öffentliche Ächtung und das Exil verhängt. Bei alledem fand er Zeit, zweimal zu heiraten und Kinder großzuziehen, außerdem in seinem Kreis junger Philosophen ohne Pause zu unterrichten.
    |649| Genau hier beginnt der unglaublichste Teil: die Geschichte der aristotelischen Handschriften, wie sie von Strabo und vor allem von Plutarch erzählt wird, dem großen Gotteslästerer.
    Sie beginnt natürlich bei der sagenumwobenen Bibliothek von Alexandria. Der Gründer der Bibliothek, der Pharao Ptolemaios Philadelphos, wollte die Bücher des Aristoteles um jeden Preis. Er hatte ausgezeichnete Informanten: sein Bibliothekar Demetrios war zufällig Gouverneur von Athen gewesen, als Aristoteles starb, und hatte Theophrast, einem der wichtigsten Schüler des Philosophen, geholfen, in den Besitz von Aristoteles’ Bibliothek zu kommen. Bei seinem Tod hinterließ Theophrast alle Bücher dem letzten direkten Schüler von Aristoteles, Neleus. Diese Bücher, von denen es jeweils nur eine Kopie gab, waren die einzigen echten Aufzeichnungen des Denkens von Aristoteles und niemals außerhalb seiner Schule verbreitet. Also war es richtig, sie Neleus zu hinterlassen, von dem alle annahmen, dass er zum zukünftigen Leiter der Schule bestimmt würde.
    Doch Neleus wurde überraschenderweise nicht gewählt und zog sich grollend mitsamt den kostbaren Büchern in seine Heimatstadt Skepsis in der Türkei zurück. Nun besaß keiner mehr die wortwörtlichen Aussagen des Aristoteles zu den unterschiedlichsten Themen.
    Gewiss, zu Lebzeiten hatte der Philosoph einige Werke in Dialogform veröffentlicht, dem Vorbild seines Lehrers Platon folgend. Doch seltsamerweise waren auch diese verlorengegangen. Innerhalb kurzer Zeit war also der gesamte Aristoteles von der Bildfläche verschwunden.
    Der Pharao schickte einen Boten mit einem Kaufangebot für Neleus nach Skepsis. Doch dieser verkaufte ihm gegen eine hohe Summe nur einige Aufzeichnungen von geringem Wert und eine Menge langweiliger Traktate von Theophrast, dem alten Schüler von Aristoteles. Vor allem aber tat er so, als hätte er die Anfrage nach der Bibliothek des Aristoteles missverstanden und schob dem Boten Bücher unter, die dem Philosophen zwar gehört hatten, aber nicht von ihm geschrieben oder diktiert worden waren. Bei Ptolemaios Philadelphos und Demetrios, seinem Bibliothekar, landeten auf diese Weise eine Menge minderwertige Werke, die in der imaginären Bibliothek von Alexandria aufgestellt wurden.
    Nach Neleus’ Tod ging die echte Bibliothek des Aristoteles an seine Erben, ungehobelte, ignorante Personen, die sie in einem Loch in ihrem Garten versenkten, ohne die möglichen Folgen zu bedenken.
    |650| Ein unbekannter Nachfahre des Neleus grub die Rollen aus. Er fand eine unvollständige, ungeordnete, außerdem natürlich von Würmern und Feuchtigkeit zerfressene Sammlung vor. Statt an einen reichen Herrscher verkaufte er sie an einen übel beleumundeten Menschen, einen gewissen Apellikon von Teos, angeblich Buchhändler, Philosoph und Antikensammler, außerdem vorbestraft: Er hatte einige alte Dekrete aus den Archiven der Stadt gestohlen und wäre um ein Haar auf dem Schafott gelandet. Kaum hatte er den Schatz in Händen, veränderte und vervollständigte er die Handschriften nach eigenem Gutdünken und machte daraus eine erste, verheerend schlechte Ausgabe. Unterdessen war Athenion in Athen an die Macht gekommen, auch er angeblich ein Philosoph, der sich zum Tyrannen ausrief. Athenion schickte Apellikon in den Kampf gegen die Römer, von denen er jedoch vernichtend geschlagen wurde. Seine Bibliothek

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