Das Mysterium der Zeit
Waren die Pharaonen nicht bereit gewesen, sie mit Gold aufzuwiegen? Oder lagen sie doch nur Ptolemaios Philadelphos am Herzen, und dem Rest der Welt waren sie völlig egal?
Die unglaubliche Geschichte vom Leben und den Büchern des Aristoteles genügt, um an dem ganzen Philosophen zu zweifeln und seine Statue für ein wächsernes Abbild zu halten. Man hat uns erzählt, dass die sogenannten verschwundenen Werke einfache Aufzeichnungen waren, aber das ist nur ein Vorwand, um dort alles Erdenkliche hineinzustecken und darüberzulegen und so auch den Ausschuss als wertvolles Material durchgehen zu lassen. Jahrhundertelang befolgten die Araber das
De causis
, das sie für aristotelisch hielten, später entpuppte es sich als falsch. Als Fälschungen erkennbar sind schon die aristotelischen Schriften über die Landwirtschaft, die Farben, die Physiognomie, die ärztlichen Heilmethoden, die Jagd, die Anthropologie, außerdem viele weitere über die moralischen Tugenden und die Ehe. Der Rest ist nicht viel mehr wert.
Die gesamte Tradition der klassischen Welt gründet, so wie sie uns überliefert ist, auf Unsinn. Rom und Athen hat es so, wie wir es uns vorstellen, nie gegeben. Nur das erklärt die Gotteslästerungen, die die antiken Historiker von Plinius bis Tacitus, von Ammianus bis Livius uns bei jeder Gelegenheit unterschmuggeln. Alle wahren Gelehrten wissen das. Doch das Geheimnis wird verborgen und geleugnet, um sich weiterhin ungestört am Tisch der Sophismen und Märchen laben zu können.
Es ist kein geheimnisvoller Zufall, dass Poggio Bracciolini so viele Entdeckungen machte.schuldet Francesco Bracciolini ewigen Dank, weil er ihm das gesamte Erbe, das irrtümlich an ihn fiel, übergeben hat. Freilich handelt es sich um etwas ganz anderes als er glaubt.
|653| »Francesco Bracciolini? Der Secretarius der Barberini, der Freund von Bouchard …« Du wundertest dich. »Aber dann …« überlegtest du und blicktest mich lange mit gerunzelter Stirn starr an. Den Satz beendetest du nicht.
Wir nahmen die Lektüre wieder auf.
Die Herren Leichtgläubigen, die bis jetzt so viele Dummheiten geschluckt haben, werden sagen: »Wenn die Schriften des Aristoteles eine Erfindung sein sollen, müssen sich ganze Gruppen von Fälschern in Absprache miteinander ans Werk gemacht haben. Wer hat aber je so eine große Schar gemeinsam arbeiten sehen?
»Was für ein Unsinn«, wird man sagen, »es gibt keine kriminellen Banden, die massenweise antike Dokumente fälschen!«
Also folgt hier etwas für die Herren Leichtgläubigen:
Nachtrag
für die
HERREN LEICHTGLÄUBIGEN
Andreas Darmarios, geboren in Epidauros, hat zwischen dem Ende des 16. und dem Beginn unseres Jahrhunderts in einem Zeitraum von fast dreißig Jahren hunderte, vielleicht tausende von Handschriften kopiert (er unterhielt eine Werkstatt mit vielen Skribenten) und diese für viel Geld in ganz Europa verkauft. Seine Spezialität war es, anonyme oder Schriften unbekannter Autoren zu kopieren und die Namen berühmter Historiker und Philosophen auf das Frontispiz zu setzen. So verhundertfachte sich ihr Wert. Oder er zerteilte ein Werk in mehrere Teile, denen er erfundene Namen und Titel gab. Das Zeug verkaufte Darmarios gut.
Seine Kunden waren Philologen, Sammler, Herrscher und Kirchenleute: Isaak Casaubon, der größte Philologe Europas, ein Freund Scaligers; André Schott, der Doktor in Antwerpen, der mit vierzig Jesuit wurde und so weiterlebte wie zuvor; Antonio Agustìn, der größte Gelehrte Spaniens, der Darmarios sogar beim Katholischen König von Spanien einführte. Eine Zeitlang lebte dieser miese Betrüger in Trient, wo das große Konzil der Katholischen Kirche gegen die lutherische Ketzerei stattfand. Zuhauf erwarben die Kardinäle seine gefälschte Ware.
|654| Dabei wussten alle, dass der Grieche seinen Kunden faule Eier unterjubelte, dass es ein Risiko war, bei ihm zu kaufen. Casaubon zahlte auch noch, als der Name des Schreiberlings aus Epidauros schon anrüchig geworden war. In Spanien saß er sogar im Gefängnis, kam jedoch fast sofort wieder frei, vermutlich mit Hilfe Agustìns.
Darmarios wurde maßlos reich. Er log, betrog und fälschte nach Belieben. Inzwischen lässt sich kaum mehr ermitteln, wie weit sein Aktionsradius reichte und wie viele Fälschungen er über ganz Europa verstreute. Sein Name wird verkannt, als Toter wird er gedeckt wie als Lebender.
Zweiter Nachtrag
für die
HERREN LEICHTGLÄUBIGEN
Name: Jakob Diassorinos aus
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