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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Handschriften des slawonischen Mönchs zu retten, aber eine sehr schlechte, dass auch ihr, Barbara, du und der Statthalter herbeieiltet. Denn kaum hatte er euch gesehen, hatte der Kanonier auf die Stelle geschossen, an der wir zusammenkamen. Die Kugel hatte einen der Pfeiler getroffen, der das Kabuff stützte. Das kleine Bauwerk war in die Tiefe gestürzt, oder besser gesagt, auf den darunterliegenden Abhang.
    Plötzlich, ich wusste selbst nicht wie, fand ich mich mit Armen und Beinen um einen Holzbalken geklammert, über mir der Regen und unter mir der Abgrund, um mich herum eine Staubwolke, die mir die Sicht nahm, und das wütende Knirschen einer Decke aus Gebälk und Mauerwerk, eben jenes Bodens, auf dem Nummer Drei und ich uns bis vor kurzem bekämpft hatten, der nun abbröckelte und in die Tiefe stürzte. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass sich direkt unter mir ein kleiner, von einem Lattenzaun umgebener Innenhof voll schwärzlichen Morastes befand. Daneben stand ein kleiner Schweinestall, den die starken Regenfälle der letzten Tage überschwemmt hatten. Die Handschriften waren in diese schmutzige Brühe gefallen und würden binnen weniger Minuten unlesbar sein. Als ich auf der linken Seite etwas erblickte, wandte ich sofort entsetzt die Augen ab. Es war der zerschmetterte Körper von Nummer Drei, ihr Kopf war gespalten wie eine Nuss.
    Das Schicksal hatte einen Friedhof für die Handschriften von Poggio |695| Bracciolini ausgesucht: inmitten von Schweinemist und der Hirnmasse einer Verrückten.
    Von oben, aus der Öffnung des Brunnenschachts, hörte ich das ferne Echo eurer aufgeregten Schreie. Dann spürte ich, wie mir etwas gegen die Rippen drückte, und hörte zwei Stimmen, deine und die von Kemal, die mich aufforderten, mich an dem Balken festzuhalten, der mich soeben berührt hatte. An diesem Brett zogt ihr mich hoch, während die Staubwolken sich lichteten und man wieder ein bedrohliches Knirschen vernahm. Nur einen Augenblick nachdem die starken Arme des Korsaren die meinen ergriffen hatten, brachen auch die letzten Teile des Kabuffs ab. Ich war geistesgegenwärtig genug, mich umzuwenden, während ihr mich auf rettenden Boden zogt, und so sah ich den übriggebliebenen Teil des großen Bücherbordes mit den Handschriften, umgeben von Geröll und Staubwolken, in die Tiefe stürzen. Alles fiel senkrecht in den schmutzigen Schlamm des Schweinestalls, wo es mit einem widerlichen Prasseln aufprallte. Um mich herum flatterten ganze Bündel von Papieren durch die kalte, feuchte Luft, es war ein Wunder, dass es mir gelang, einen, nein, zwei grob zusammengeheftete Packen zu ergreifen, während sie durch den Luftdruck, den der Einsturz erzeugt hatte, noch einmal in die Höhe gewirbelt wurden, bevor auch sie im Morast des Schweinestalls versanken.
    Hatte ich ein einzigartiges Zeugnis der Vergangenheit gerettet? Ich verschaffte meinen Beinen sicheren Halt, indem ich mich an euch drei drückte, meine Retter, die ihr am Ende des nun auf das Nichts geöffneten Brunnens standet. Noch bevor ich euch dankte, warf ich einen Blick auf das, was ich in der Hand hielt. Es war nicht Martial, nicht Plinius, nicht Quintilian. Auf einem der beiden Deckblätter las ich:

    CHIFFRE DER NAMEN
    Platons Dialoge

    Vielleicht ist das ein Wink des Schicksals, dachte ich in einem Geistesblitz der Erschöpfung.
    Genau in diesem Moment schoss die Kanone erneut, und die Kugel sauste pfeifend über unsere Köpfe hinweg.
    »Weg hier!«, schrie der Statthalter. »Der Brunnen könnte durch einen Kanonenschuss einstürzen!«

|696| DISKURS CIV
    Darin man den einzig möglichen Fluchtweg von einer Insel nimmt.
    Kaum waren wir draußen, hörten wir mehrere Geschosse über die Dächer pfeifen. Wir suchten Schutz hinter einer Hütte.
    »Da kommen bewaffnete Männer, jetzt schießen sie auch mit Gewehren und Pistolen auf uns«, keuchte Kemal, während er sich vorbeugte, um herauszufinden, in welcher Richtung die Schützen standen. »Dort sind sie. Ich glaube, das sind die Verrückten, denen wir das Gulasch aus Philos Ptetès zu verdanken haben.«
    »Die Handschriften von Bracciolini, die Aufzeichnungen von Bouchard …«, jammerte ich verzweifelt, »alles ist eingestürzt, alles verloren … Ich habe nur diese beiden Heftchen retten können.«
    »Was kümmert es dich, mein Freund?«, entgegnete Kemal. »Du lebst.«
    »Ja, aber jetzt … jetzt wird niemand mehr die Wahrheit erfahren. Alles verloren, alles in dem Schweinestall dort unten versunken, auch die

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