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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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überlege, ob ich schon einmal etwas von ihm gehört haben könnte. Ein slawonischer Mönch«, wiederholte ich langsam. »Gewöhnlich kommen Ordensleute vom anderen Ende der Adria nicht bis in die Toskana, und sonderlich bleiben sie nicht in Livorno. Ein Geistlicher aus Slawonien kann also in dieser Gegend nicht lange unbemerkt geblieben sein.«
    Ich sah dich bei meinen Worten die Augen aufreißen.
    »Ein slawonischer Mönch, habt Ihr gesagt? Aber dann war es vielleicht …«
    Wir alle blickten dich fragend an und warteten auf deine Erklärung.

DISKURS IX
    Darin von einer seltsamen Begebenheit erzählt wird, die zwei Jahre zuvor geschah.
    »Erinnert Ihr Euch? Vor zwei Jahren, im Oktober 1644, während unserer ersten Reise nach Frankreich«, hubst du an, mich, deinen bescheidenen Secretarius ansprechend. »Wir waren auf diesem Handelsschiff, als wir wegen eines Unwetters in Gorgona vor Anker gehen mussten. Die Gelegenheit wurde genutzt, um Wasservorräte zu holen, einige der Passagiere gingen an Land, um sich die Beine zu vertreten. Einer von ihnen, ein beleibter orientalischer Mönch mit einem langen schwarzen Bart, wurde von einer Giftschlange gebissen. Der Kapitän des Schiffs vertraute ihn der auf der Insel stationierten Garnison an.«
    »Ich erinnere mich«, sagte ich.
    »Nun, und ich erinnere mich, dass ich selbst den Kapitän fragte, woher dieser Ordensbruder komme, und er antwortete mir, es sei ein slawonischer Mönch.«
    |87| Bei diesen Worten erhob sich unter allen Anwesenden ein erstauntes Gemurmel.
    »Hast du vielleicht auch gefragt, wie er heißt?«, fragten Naudé und Guyetus in ihrer Verblüffung fast einstimmig.
    »Leider nicht. Aber ich erinnere mich noch an sein Gepäck, das an Land gebracht wurde. Vier große volle Taschen.«
    Dieses letzte Detail versetzte die Gelehrten in Entzücken.
    »Er ist es, das ist er!«, rief Naudé aus, während Guyetus kleine Freudenschreie ausstieß.
    »Junge, du machst dich doch nicht etwa über uns lustig?« Der Gesichtsausdruck des Philologen hatte sich schlagartig verändert, jäh blickte er dich mit einer finsteren Miene an.
    »Monsire Guyetus, ich stehe an der Schwelle zu meinem zwanzigsten Lebensjahr und bin schon seit langem kein Kind mehr«, entgegnetest du überrascht und pikiert.
    »Also kam Philos Ptetès gar nicht in Lyon an«, überlegte Naudé, nun langsam nachdenklich werdend. »Ich meine, gewiss nicht, bevor er von diesem Schlangenbiss geheilt wurde.«
    »Wenn er nicht gar …«, überlegte Guyetus, dessen Gesicht sich endgültig verfinstert hatte.
    »Gütiger Himmel, ich verstehe, was Ihr befürchtet«, kam ihm Naudé zuvor und schlug sich mit der Hand an die Stirn. »Und wenn der Mönch nun auf der Insel an dem Schlangenbiss gestorben sein sollte?«
    »Lieber Naudé«, warf Guyetus kopfschüttelnd ein, »das ist, als wollte man eine Nadel im Heuhaufen suchen. Ich wäre besser in Paris geblieben wie dieser schlaue Jesuit Petavius.«
    »Recht bedacht«, pflichtete Naudé ihm mit düsterer Miene bei, »ist es tatsächlich keineswegs ausgemacht, dass der slawonische Mönch, den unser junger Atto sah, wirklich Philos Ptetès war. In dem Brief an uns spricht der Mönch von seinen Mitbrüdern, es ist also nicht gesagt, dass die vier großen Taschen, die Atto sah, mit den Handschriften gefüllt waren, nach denen wir suchen. Es könnten zum Beispiel auch Kleidungsstücke gewesen sein.«
    »Kleidungsstücke? Ein Mönch besitzt gewöhnlich nicht viel mehr als die Kutte, die er trägt, und ein Paar Sandalen«, gab Guyetus zweifelnd zu bedenken.
    Doch die Launen des Schicksals unterbrachen die Spekulationen |88| der beiden französischen Gelehrten. An diesen Zwischenfall erinnerst du dich sicherlich, denn obgleich er auf Französisch erfolgte, riss der Ruf einer der beiden Wachen im Mastkorb alle aus ihren Überlegungen:
    »Schiff in Sicht!«

DISKURS X
    Darin man etwas über die Überlegenheit der runden Schiffe über die Rudergaleeren erfährt.
    Es war ein rundes Schiff von der Art, die nur dank ihrer Segel vorankommen und sich von den Galeeren unterscheiden, welche zwar über einen oder mehrere Masten verfügen, bei gleichem Wind aber sehr viel langsamer sind und außerdem eine längliche, schmale Form haben.
    Trotz seines gewaltigen Umfangs segelte das unbekannte Schiff mit Rückenwind in rascher Fahrt direkt auf uns zu. Der Winter, in dem es keine Flauten gibt, ist die ideale Jahreszeit für diese Art Schiffe, die die größten Entfernungen zurücklegen

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